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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
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Andrew schmerzlich bekannt vor. Die gebogene Nase, die tiefliegenden Augen. Theos Augen.
    Die Jungs tauschten Blicke, dann dämmerte es einem nach dem anderen: Beide Besucher waren schwarz gekleidet – schwarze Mäntel, schwarzer Anzug, schwarzes Kleid. Die Frau wirkte elegant, trug jedoch keinen Schmuck.
    Kummer zeichnete ihre Gesichter. Tränen standen ihnen in den Augen. Wenn man sie so sah, gewann man den Eindruck, dass ihnen selbst der beste Witz oder die wildeste Geschichte kein Fünkchen Heiterkeit entlocken könnte – nicht einmal, wenn man sich wochenlang Mühe gäbe.
    Und noch etwas anderes strahlten diese beiden Erwachsenen aus.
    Verbitterung. Neid. Groll gegen die Lebenden. Offenbar waren sie nicht darauf gefasst gewesen, auf so viele Schüler zu treffen, und konnten die Empfindungen nicht unterdrücken. Durch die Adern dieser Jungs floss warmes Blut, während ihr Sohn in einer Kühlkammer in irgendeinem Londoner Leichenhaus lag.
    Fawkes bedeutete dem Paar, ihm zur Treppe zu folgen. Sie wollten in Theos Zimmer, um seine Sachen abzuholen, zögerten jedoch ein wenig. Mr. und Mrs. Ryder waren wie gelähmt durch den Anblick all der uniformierten Kopien ihres Sohnes.
    Rhys Davies brach den Bann. Er durchquerte das Foyer und streckte erst Mr. dann Mrs. Ryder die Hand entgegen.
    »Theo war der Beste von uns«, sagte er.
    Vom kleinsten bis zum größten Mitbewohner taten es alle – erst einer nach dem anderen, dann in kleinen Grüppchen– Rhys Davies gleich und schüttelten den Eltern die Hand. Manche kondolierten, andere übermittelten schweigend ihr Mitgefühl. Fawkes beobachtete das Geschehen erstaunt, aber zufrieden. Die Eltern lächelten, so gut es ihnen gelang. Sie schüttelten Hände, reagierten höflich und nickten. Der Vater war ein großer, braungebrannter Gorilla mit hellem Haar und vollen Lippen. Und zur Verwunderung aller war er es, nicht seine Frau, der zu schluchzen begann. Er war zu überwältigt und zu höflich, um einen der Jungen warten zu lassen, während er ein Taschentuch suchte, also drückte er weiter Hände und nickte, obwohl ihm Tränen über die Wangen liefen.
    Einige Zeit später öffnete Matron keuchend wie immer Andrews Zimmertür.
    »Ich hab dich gesucht«, sagte sie. »Das hier ist für dich abgegeben worden. Es kommt von Sir Alan Vines Tochter.«
    Ihr griesgrämiger Tonfall verriet, dass sie sich ernsthaft fragte, was Andrew mit Sir Alan Vines Tochter zu schaffen hatte. Sie hielt ihm einen kleinen violetten Umschlag hin.
    Andrew Taylor, stand in mädchenhafter Handschrift auf dem Kuvert.
    Matron zog sich zurück, und Andrew riss den Umschlag auf.
    Andrew,
    hol mich morgen nach dem Mittagessen vom Headland ab, dann überraschen wir Piers mit seinem neuen Byron.
    Persephone
    PS: Lern, wenn möglich, ein bisschen Text, damit Du vorsprechen kannst.
    PSS: Das mit Deinem Freund tut mir leid.
    Unwillkürlich musste er lächeln  – genau das hatte ihm noch gefehlt. Mehr Drama.

4

Ein Stück über eine Raupe
    Dieser verdamme Jute.
    Piers Fawkes stürmte in seine Wohnung und brachte Wind, Regen und Ulmenblätter mit sich. Seine Hände zitterten vor Wut und Alkoholsucht.
    Er erduldete diese Scheiße – genau das traf es: erdulden .
    Immerhin war er es gewesen, der im Ambulanzwagen zur Gerichtsmedizin mitgefahren war und die Trage mit dem Leichensack, der sich in den Kurven gegen seine Knie drückte, festgehalten hatte. Er hatte den Leichnam in den Keller des Hospitals begleitet (und war anschließend hinausgestürmt und eine halbe Meile bis zu einem Vorstadthotel gelaufen, das zum Glück auch ein Pub hatte, in dem er mit zwei Pints die Bilder von den rostfreien Stahltischen hinunterspülen konnte – der Seziersaal glich einer überdimensionalen Küche, und alles war darauf angelegt, Flüssigkeiten ablaufen zu lassen). Nach der Obduktion hatte er den Totenschein unterschrieben. Die Anforderungen an einen Hausvater, den alleinigen Vertreter der Eltern, hatten sich plötzlich von denen eines Erziehers von sechzig Jungs zu denen eines Faktotums des Todes verwandelt. Gott, was für ein Alptraum.
    Und nach all dem besaß der Rektor die Frechheit, ihn nur wegen dieser dämlichen Schulversammlung zusammenzustauchen. Massiv. Eine ganze Stunde lang. Er hatte alles an ihm ausgelassen.
    War es wirklich Fawkes’ Idee gewesen, den Rechtsmediziner einzuladen? Er erinnerte sich ehrlich nicht mehr.( Sollen sie es sich selbst anhören. Hatte er das gesagt oder Jute?) Aber Jute hatte ihm die

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