Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
Vom Netzwerk:
verbessert?«, drängte Andrew. Mittlerweile trank er ungenierter. Im Dunst vonFawkes’ Zigaretten und mit Hilfe des betäubenden Alkohols fühlte sich Andrew zum ersten Mal seit seiner Ankunft einigermaßen wohl. Hätte er sich die Zeit genommen, darüber nachzudenken, wäre ihm aufgefallen, dass er sich mehr daheim fühlte als zu Hause. Doch im Moment war er sich nur der Aufregung bewusst, die in seiner Brust anschwoll.
    »Gute Frage«, lobte Fawkes und stach mit der Zigarette in Andrews Richtung. »Die Leute erforschen Shakespeares Mysterium – wollen wissen, wie ein Niemand aus der Mittelschicht in Stratford so großartige Dramen schreiben konnte. Byrons Geschichte ist noch viel unwahrscheinlicher. Mit zwanzig verfasst er seichte Verse. Dann flieht er aus England – kein Mensch weiß genau, warum. Ich werde nie in England leben, wenn ich es vermeiden kann. Wieso – muss ein Geheimnis bleiben. Er unternimmt eine lange Seereise. Und ein paar Monate später fängt er in Epirus, Griechenland in der Halloweennacht ein Poem an. Ausgerechnet in Spenserstanzen. Plötzlich gelingt ihm ein  … Meisterstück. Episch. Reich. Reif. Es begründet den byronschen Stil. Der grüblerische, dem Untergang geweihte junge Mann trägt eine Last von unaussprechlichen Sünden. Mit einem Mal ist er berühmt. Ein Genie«, fügte Fawkes zweifelnd hinzu, »über Nacht.«
    Andrew und Persephone wechselten einen Blick. »Ist das schlecht?«, fragte Andrew.
    »Nein, es ist nicht schlecht, aber unmöglich!«, rief Fawkes. »Entweder ist man ein Naturtalent, oder man gewinnt durch lange, harte Arbeit gewisse Fähigkeiten. Flügel wachsen einem nicht in ein paar Monaten. Dichter«, erklärte er, »sind keine Raupen.«
    Nachdem er sich derart verausgabt und seine Zigaretteausgedrückt hatte, stand Fawkes auf, um sich ein neues Päckchen zu holen und tippte damit in seine Handfläche. Persephone sank in sich zusammen; sie wirkte, als hätte man ihr etwas weggenommen. Jetzt war es an Andrew, die Unterhaltung weiterzuführen. Er ergriff die Gelegenheit mit Freuden. Er hatte das Gefühl, seit Tagen nicht mehr geredet zu haben. »Sind Sie ein Naturtalent?«
    »Ich?« Fawkes war verblüfft.
    »Ja.«
    »Piers hat mit neunundzwanzig den Whitestone-Preis gewonnen«, sagte Persephone. »Er war das enfant terrible der englischen Dichtkunst.«
    »Ich war es – Vergangenheit.«
    »Sind Sie immer noch berühmt?«
    »Wenn du danach fragen musst, dann ist das Antwort genug«, entgegnete Fawkes säuerlich.
    »Was hält Sie auf ?«
    Fawkes zwinkerte Andrew zu. »Ich kann nicht darüber schreiben, wen Byron geliebt hat oder was ihm wichtig war, wenn ich nicht einmal weiß, wer er war. Ich kann kein Stück über eine Raupe, die von einem Moment zum anderen zum Schmetterling wird, verfassen.« Fawkes riss wütend die Zigarettenpackung auf.
    »Tut mir leid. Ich bin Ihnen zu nahe getreten«, entschuldigte sich Andrew.
    »Und was weißt du über Byron?«, erkundigte sich Fawkes.
    »Ich? Ach, nichts.«
    »Schon mal was von ihm gelesen?«
    »Nein.«
    »Ich nehme an, in amerikanischen Schulen lest ihr nur Walt Whitman«, sagte Persephone.
    »Robert Frost in Anthologien«, erwiderte Andrew.
    Fawkes suchte auf dem Schreibtisch nach einem Buch. Er blätterte es schnell durch. Die Zigarette hing in seinem Mundwinkel und drohte, die Seiten zu entflammen. Zu guter Letzt warf er Andrew das Buch zu.
    »Lies das«, sagte Fawkes und deutete auf ein Gedicht. »Laut.«
    Andrew erschrak. »Was? Jetzt?«
    Statt einer Antwort ließ sich Fawkes neben Persephone aufs Sofa fallen und sah Andrew erwartungsvoll an.
    »Natürlich jetzt. Du bist zum Vorsprechen hergekommen, oder nicht?«
    »Ja, aber es scheint, dass Sie sauer sind.«
    »Ja, ich bin sauer. Ich bin zornig, seit ich vierzehn war. Das war mein Markenzeichen. Ich habe viele Gedichte darüber geschrieben. Aber ich bin nicht sauer auf dich. Ich möchte hören, wie du dieses Gedicht liest. Das könnte das Highlight eines wahrhaft abscheulichen Tages werden. Und übrigens bist du derjenige, der sauer sein sollte. Mad, bad, and dangerous to know! « Letzteres sprachen Fawkes und Persephone unisono aus, und sie lachten. Dann warteten sie.
    »Hm«, begann Andrew.
    Er versuchte, im Sitzen zu lesen, doch Persephone bestand darauf, dass er aufstand. Dann schob sie ihn in die Mitte des Zimmers. Und da stand er, mit dem Buch in der Hand wie ein Erstklässler, der vor der Klasse ein Gedicht vortragen wollte. Andrew kam sich albern

Weitere Kostenlose Bücher