Weißer Teufel
in einer anderen Zeit … in der Zeit mit Byron. Alles deutet darauf hin, dass John Harness dein Geist ist.«
»Sie hatten eine Erleuchtung«, stellte Fawkes fest.
»Die hatte ich. Aber das Ganze gefällt mir nicht. Die Erscheinung wirkte bedrohlich.«
Hoffnung keimte in Andrew auf. »Dann können Sie mir vielleicht helfen.« Er wandte sich an Fawkes. »Erinnern Sie sich … an die Vision, von der ich Ihnen erzählt habe? Ich bin in einem Wohnhaus wie dem Lot, aber mit Fackelhaltern an den Wänden und Teppichen. Ich verfolge diese Gestalt.«
»Ja, natürlich erinnere ich mich.«
»Ich hatte das Gefühl, dass gleich etwas Schreckliches passieren wird . Doch dann hatte ich denselben Traum noch mal. Vor zwei Tagen, nachdem wir die Zisterne gefunden haben. Und das Schreckliche passierte in dem Traum. Ich beobachtete einen Mord.«
»In der damaligen Zeit oder in der heutigen?«, fragte Fawkes erschrocken.
»In der damaligen«, beruhigte Andrew ihn. »Allerdings,hm, war ich derjenige, der den Mord beging. Ich habe jemanden erstickt.«
» Du hast jemanden erstickt?«, wiederholte Dr. Kahn überrascht.
» Harness hat es getan. Ich habe das Geschehen nur mit seinen Augen gesehen, falls das überhaupt Sinn macht. Als ob er mir – einen Film zeigte. Ich wünschte fast, wir hätten diesen Keller nicht geöffnet«, sagte Andrew zu Fawkes. »Damit scheinen wir ihn ermutigt zu haben.«
»Er versucht, dir etwas zu sagen«, sinnierte Dr. Kahn.
»Was?«
Fawkes verschränkte die Arme. »Wenn er dir einen Mord zeigt … das ist eine klare Botschaft. Er hat einen Mord verübt und Gewissensbisse.«
»Ich vermute, es ist mehr als das. Unser Geist könnte auch in der Gegenwart gefährlich sein«, warnte Dr. Kahn.
» Könnte? Hat Ihnen Andrew das nicht erzählt? Er hat gesehen, wie der Geist Theo Ryder auf dem Church Hill umgebracht hat.«
Dr. Kahn sah Andrew eindringlich an. »Nein. Der Teil ist mir irgendwie entgangen.« Sie runzelte die Stirn. »Und hier ist Andrew, kostümiert als Byron wie ein verlockender Köder für einen Mörder. Es wird Zeit, Andrew aus der Gefahrenzone zu bringen, vielleicht sollten wir ihn aus der Schule nehmen. Seine Eltern anrufen.«
»Das wäre gleichbedeutend mit einem Schulverweis«, protestierte Andrew.
»Gut. Trotzdem wäre es mir lieber, dich wegzuschicken, als dich tot zu sehen.«
»Und wenn Sie sich irren«, gab Fawkes zu bedenken, »haben wir Andrews Schulkarriere für nichts und wieder nichts ruiniert. Für eine fixe Idee.«
»Dann schlagen Sie etwas anderes vor«, gab sie schneidend zurück.
»Es ist ein Geist. Wie wird man einen Geist los?«
»Durch Exorzismus«, bot Andrew an.
»Wie heißt das, wozu man ein Medium braucht?«, warf Dr. Kahn ein. »Man sitzt rund um einen Tisch mit Samttischtuch und Kerzen und hält sich an den Händen.«
»Eine Séance?«, fragte Andrew.
»Exakt.« Dr. Kahn nickte. »Wir rufen den Geist und reden mit ihm. Fragen ihn, was er will.«
»Das ist doch offensichtlich«, sagte Fawkes. »Er will Andrew.«
»Was soll das dann mit dem Mord?«, wollte Andrew wissen.
»Es gibt keinerlei Aufzeichnungen, die einen Mord von John Harness belegen«, sagte Fawkes.
»Aber ich weiß, dass er jemanden getötet hat.«
»Also gut. Warum forschen wir nicht nach?«, schlug Fawkes vor.
»Sie meinen, wir sollen mehr Recherchen über Harness anstellen«, präzisierte Dr. Kahn.
»Für Sie geht es immer nur um Recherche«, nörgelte Fawkes. »Nein, ich rede von einem verdammten Tribunal . Was ist ein Geist? Ein Toter, der sich in die Angelegenheiten Lebender einmischt. Warum? Weil ihm etwas keine Ruhe lässt. In John Harness’ Fall ist das ein Mord. Er kommt nicht darüber hinweg, genauso wenig wie über Byron. Also müssen wir alles herausfinden, was es über den Mord und über Harness’ Beziehung zu Byron zu wissen gibt.«
»Ich nenne das Recherche«, stichelte sie.
» Dann halten wir eine Séance ab. Wir rufen Harnessherbei und halten ihm die Fakten vor die Nase. Wir sagen: Wir wissen, wen du umgebracht hast und warum; aber das alles ist längst vorbei. Der Geist begreift, dass er im falschen Jahrhundert herumlungert, und verschwindet. Ende der Geschichte.«
»Herausfinden, wen Harness getötet hat und aus welchem Grund«, sagte Dr. Kahn. »Nicht schlecht, Piers.«
Er machte einen Knicks. »Darf ich jetzt eine Zigarette rauchen?« Er knipste sein Feuerzeug an – seine Unruhe hatte sich verstärkt, seit er den Madeira verschmäht hatte.
»Ein
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