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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
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Schüler. Die Mitglieder verfassen gründlich recherchierte Essays, Vorträge in der Länge von einer Stunde. Judy fungiert als Beraterin. Sie hat mich gebeten, dich einzuladen. Du musst sie beeindruckt haben, als du bei ihr in der Bibliothek warst. Andrew kannte die Schüler aus seinen Kursen: Scroop Wallace aus Geschichte (mit stoppeligen Haaren und exzentrischen Launen), Domenick Beekin aus Englisch (dürrer Hals und kleiner Kopf; ein menschlicher Reiher), Nick Atoniades auch aus dem Englischkurs (dunklere Haut, kompakt und selbstbewusst) und Rupert, der Junge, der seinen Essay mit dem affektierten Akzent vorlas.
    Zu den Erwachsenen gehörte Sir Alan Vine, der einenEllbogen aufgestützt hatte und den kahlen Kopf leicht gesenkt hielt, mit Brille und aufgeblähten Nüstern wie ein Lineman, der sich auf einen Angriff vorbereitet. Piers Fawkes saß zwei Plätze von Andrew entfernt. Auf dem Weg hierher hatte er einen schreckhaften Eindruck gemacht: Sein Gesicht war blass, Schweißperlen standen ihm auf der Oberlippe. Er hatte den Madeira abgelehnt, als er sich setzte, doch der Verzicht schien ihm die Vorteile der Schwerkraft geraubt zu haben. Er klammerte sich an die Tischkante, als fürchtete er, in den Himmel gesaugt zu werden; hin und wieder wickelte er geräuschvoll ein Karamellbonbon aus und rollte es gegen seine Zähne. Sir Alan warf ihm bitterböse Blicke zu, wenn er das hörte. Wenn ich bitten darf, Piers, fauchte er, als es ihm zu viel wurde. Mr. Toombs, der Altphilologe – dünn, freundlich, nervös, mit zischender Aussprache  –, in dessen Klassenraum sie alle saßen, lächelte und lauschte Rupert Askews Vortrag über mutierende Vogelgrippeviren. Und neben dem Redner saß Dr. Kahn. Sie und Mr. Toombs waren die Gastgeber des Essay Club. Auch sie hatte Askew eine Weile ihre Aufmerksamkeit gewidmet. Jetzt jedoch merkte Andrew, dass sie ihn musterte, als hätte sie etwas an ihm entdeckt, was ihr nicht gefiel.
    Mr. Toombs zog die schwere Tür zu und drehte den Schlüssel im Schloss, während er freundlich plauderte. Hinreißender Essay, heute Abend, finden Sie nicht, Piers? All die scheußlichen Symptome. Und der Abschnitt über die Pest – das ist etwas für Sie, Judy. Ein Stück Geschichte . Mr. Toombs redete weiter, bis er merkte, dass seine drei Begleiter hinter ihm geblieben waren und darauf warteten, dass er sich verabschiedete; also wünschte er ihnen einegute Nacht und ging. Die drei blieben im trüben Schein der Laterne stehen. Das Gebäude der Altphilologie stand am Fuß einer Treppe zur High Street, dahinter befand sich der stille, bewaldete Park.
    »Wie hat es dir gefallen, Andrew ?«, fragte Dr. Kahn.
    »Ich habe es geliebt«, schwärmte er mit ungewohntem Enthusiasmus.
    »Tatsächlich?« Sie lächelte. »Ich liebe es auch.«
    »Ich finde, wir sollten Sprite im Essay Club servieren«, grummelte Fawkes.
    »Das würde die Kelche zerfressen«, erwiderte sie kühl. »Folgt mir bitte.«
    Sie führte sie in den Schatten zwischen Kapelle und Schulgebäude. »Hier kann uns niemand belauschen«, sagte sie mit gesenkter Stimme. »Ich möchte euch beiden etwas sagen.«
    Sie warteten.
    »Ich glaube dir«, begann sie.
    »Was?«, wollte Andrew wissen.
    »Fawkes hat mir von deinem Geist erzählt und dass du glaubst, er sei Byrons Freund John Harness. Das hat mich natürlich neugierig gemacht, allerdings nicht überzeugt. Dann ereigneten sich zwei Dinge. Zum einen hatte ich ein merkwürdiges Erlebnis in meinem Haus. Ich dachte, ich fühle jemanden. Jemand Bedrohlichen. Nicht einen Menschen, sondern eine Erscheinung. Das Gefühl entstand gerade in dem Moment, in dem mich Piers um Hilfe bei den Nachforschungen über diesen Zisternenkeller im Lot gebeten hat. Kurioses Timing, meint ihr nicht? Es war beinahe, als ob dieser  … Jemand  … wusste  …, dass Sie mich fragen würden, ob ich Ihnen bei der Recherche über John Harness helfe, und mich dann heimgesucht hat. Er hatseine Muskeln spielen lassen. Ich nenne das Einschüchterung«, sagte sie. »Zum anderen ist mir heute Abend im Essay Club etwas aufgefallen.«
    »Mir nicht«, sagte Andrew verwirrt.
    »Aber mir. Du«, sagte sie, »bist das Ebenbild von Byron.«
    »Dann haben Sie das auch endlich bemerkt«, entgegnete Fawkes.
    »Als du im Kerzenschein dasaßest, in diesem Gehrock … Es war, als hätte man uns in eine andere Zeit zurückversetzt. Und da dämmerte es mir. Vielleicht geht es deinem Geist genauso. Er sieht dich und denkt, er ist woanders. Oder

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