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Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Leben zu schleichen versuchen, sind Männer wie er so machthungrig, daß sie zwangsläufig an einem bestimmten Punkt in ihrem Leben eine bewußte Entscheidung treffen, sich mit dem Bösen einzulassen. Dabei handelt es sich nicht um eine schrittweise Verführung. Es geschieht rückhaltlos, und genau da trennen sie sich von uns anderen. Und wenn es soweit ist, sieht man es ihnen auch an. Keine kosmetische Chirurgie kann die psychische Perversion in ihren Augen verbergen.
    Ohne daß sie es selbst merken, drehen sie sich dann selbst einen Strick; die Rolle des Scharfrichters fällt ihren treuesten Gefolgsleuten zu, so wie Mussolinis Männer ihn an einer Tankstelle mit dem Kopf nach unten aufhängten und Robespierres Anhänger ihn eigenhändig zur Guillotine schleiften.
    Dann zieht das Publikum weiter, um sich einen neuen Zauberer zu suchen.
    Aber Männer wie Bobby Earl lesen keine Geschichtsbücher.
    Als ich Alafair zusah, die von dem Boot, das wir gemietet hatten, kopfüber ins Wasser sprang – wir befanden uns knapp hinter dem Seven Mile Reef –, ihr braungebrannter Leib von der Sonne und dem Salzwasser glänzend, da mußte ich an die Kinder denken, die es überall gibt. Ich dachte an das Leid, das man ihnen zufügen kann wie eine Narbe in der Seele, wie eine verdrehte blutrote Stachelrose, die von einem brutalen Daumen tief ins Fleisch gedrückt wird.
    Sie ließ sich über dem Riff treiben und beobachtete die Schwärme von Clownfischen und Makrelen. Sie blies Salzwasser aus dem Schnorchel, und die kleinen Wellen schwappten ihr über Rücken und Oberschenkel. Der Sand knapp zehn Meter unter ihr sah aus wie kleingemahlene Diamanten; man sah jeden einzelnen schwarzen Stachel an den ganzen Seeigeln, und die Feuerkorallen leuchteten so grell, als könne man sich an ihnen die Hand verbrennen wie an einem heißen Ofen.
    Dann sah ich einen länglichen, kompakten Schatten über die Oberseite des Riffs gleiten und hinunter zum Grund des Meeres sinken. Er mußte an die zweieinhalb Meter messen. Treibender Tang verdeckte mir die Sicht, dann änderte der Schatten seine Richtung, und ich sah den glänzenden braunen Rücken eines Hammerhais. Als er sich drehte und mit der Schwanzflosse schlug, sah ich ein rundes, ausdrucksloses, trübes Auge, den strichdünnen Mund, die gezackte Reihe rasiermesserscharfer Zähne, den obszönen weißen Bauch.
    Ich brüllte Alafair etwas zu, aber sie hatte die Ohren halb unter Wasser und hörte mich nicht. Ich schleuderte die Leinenschuhe von den Füßen, stieg aufs Schanzdeck und sprang von dort mit einem langen, flachen Hechtsprung ins Wasser. In drei Zügen hatte ich sie erreicht. Mittlerweile hatte sie den Hai auch gesehen, und das Entsetzen stand ihr ins Gesicht geschrieben, als ich sie um die Taille packte und zurück zum Boot schwimmen wollte. Dann geschah etwas sehr Seltsames. Sie wußte, daß wir uns gegenseitig behinderten, daß unsere Beine in dem glänzenden nassen Lichtkegel über dem mörderischen Blick des Hais hilflos auf der Stelle traten, und mit einem Mal trat ein ruhiger, fast schon naiver Ausdruck völliger Gefaßtheit in ihr Gesicht, und die Angst verschwand. Sie zog sich Maske und Schnorchel vom Kopf, steckte sie an den Arm und schwamm mit mir in kräftigen Zügen auf die Bootsleiter zu. Ihr Leib lag waagerecht im Wasser, und sie drehte den Kopf hin und her, um über den Wellen atmen zu können.
    Ich gab ihrem Körper einen Schubs über das Schanzdeck, dann wuchtete ich mich selbst an Bord. Auf dem heißen Holz nahm ich sie fest in die Arme und drückte ihren Kopf unter mein Kinn.
    Sie sah zu mir auf, und ich sah, wie sich ihr Gesicht wieder umwölkte.
    »Wow!« sagte ich und versuchte zu grinsen.
    »Was für ein Hai war das, Dave?«
    »Ein Katzenhai. Das sind ziemliche Schlappschwänze. Aber man geht trotzdem besser auf Nummer Sicher.«
    »Sein Kopf ... der war häßlich. Der hat ausgesehen, als ob er einen großen Ziegelstein gefressen hat.« Dann lächelte sie über ihren eigenen Scherz.
    »Katzenhaie sind nicht nur Schlappschwänze, die sind auch noch blöde. Stoßen andauernd gegen irgendwelche Boote und Riffs und was sonst noch so im Meer ist«, sagte ich.
    Jetzt waren ihre braunen Augen wieder fröhlich und sprühten vor Leben.
    »Hey, Dave, wollen wir die Netze rausholen und Makrelen fischen?«
    »Klar machen wir das, Kleines«, sagte ich und drückte sie noch mal an meine Brust, mit geschlossenen Augen. Ich konnte nur hoffen, daß sie es nicht fühlte, das

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