Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
vor einer einzelnen Faust zu schützen versuchte, die auf ihn eindrosch. Speichel und Blut hing in einem Faden von seiner Unterlippe.
Ich stürzte mich mitten ins Getümmel. So hart ich konnte, grub ich meine Faust in den dicken Nacken eines Mannes, ich ließ meinen Ellenbogen in die Rippen eines anderen krachen und fühlte sie nachgeben wie Eisstiele; einem weiteren Mann verabreichte ich einen Aufwärtshaken in den Bauch und sah, wie er vor mir auf die Knie fiel, das Gesicht aschgrau und der Mund sperrangelweit aufgesperrt, als hätte man ihm die Eingeweide aus dem Leib gerissen.
Dann brach die Meute über Batist und mich herein.
Es gibt Augenblicke im Leben, wo man denkt, daß sich die letzten paar Meter Film irgendwie von der Rolle gelöst haben. In solchen Augenblicken dröhnt einem das eigene Blut in den Ohren – ein Geräusch wie Wellen, die an einem Korallenriff brechen, oder der gleichmäßige Marschtritt von Hunderten von Füßen.
Oder vielleicht bleibt der Film bei dem letzten Bild auch einfach nur stehen, und man hört gar nichts mehr.
Aber als ob mir mit einem Mal Augen und Ohren, Bäume und Himmel und Atem wiedergegeben worden wären, erblickte ich den sonnenverbrannten Sergeant mit den harten grünen Augen, der die Leute mit seinem Schlagstock zurückschlug. Er hielt ihn mit beiden Händen waagerecht und schwang ihn mit aller Kraft hin und her, so daß er den Mob in einem immer größer werdenden Kreis zurückdrängte.
Dann drangen andere Cops in den Kreis, und man konnte richtig fühlen, wie die Energie der Masse verpuffte – wie die Luft aus einem Ballon mit einem kleinen Loch entweicht. Als ich auf die Füße kam, zog ich meinen Hemdschoß aus der Hose und wischte mir damit das Gesicht. Es war verschmiert mit Spucke und Blut.
»Ich nehme Ihre Kanone und lege Sie und Ihren Freund in Handschellen, damit ich Sie hier rausbringen kann. Keine Widerrede«, sagte der Sergeant.
»Keine Widerrede, Partner«, sagte ich.
Er legte die eine Handschelle um mein Handgelenk, die andere um das von Batist. Batists weißes Hemd hing in Fetzen von seinen massigen Schultern.
Bobby Earl stand inmitten seiner Bodyguards, Grasflecken auf dem schmucken Zweireiher. Er drückte sich ein zusammengefaltetes Taschentuch an den Mundwinkel und strich sich das wellige Haar mit den Fingern nach hinten. Der Sergeant verstärkte den Griff unter meinem Arm.
»Einen Augenblick noch«, sagte ich zu ihm. »Hey, Bobby, ein Mann mit schwarzer Haut hat gerade deinen wertlosen rosa Arsch gerettet. Das solltet ihr euch mal durch den Kopf gehen lassen, du und deine Wählerschaft. Da ist noch ein Gedanke, den ich dir zum Abschied mitgeben möchte. Versteh mich jetzt bitte nicht falsch. Aber wenn du jemals wieder versuchst, meinem Freund Cletus Purcel an den Karren zu fahren, werden sie dich mit einer Zahnbürste aus dem Müllwolf kratzen müssen.«
Batist und ich gingen zu einem Streifenwagen, umringt von Cops, die Handgelenke aneinandergekettet, unsere Kleider nur noch Fetzen, und die ersten Regentropfen, so schwer wie Murmeln, prasselten auf die Blätter der Sumpfeichen über unseren Köpfen.
Durch das Rückfenster eines weiteren Streifenwagens, die Arme hinter dem Rücken gefesselt, starrte das zerstörte Gesicht von Vic Benson auf die Cops, die wogende Menschenmenge, die Bäume, den Park, den schräg herabstürzenden Regen, den verdunkelten Himmel, vielleicht sogar die Erde, als ob die unsichtbaren Kräfte, deren Spielball er sein ganzes Leben lang gewesen war, sich hier an diesem Ort versammelt hätten, in diesem Augenblick, um endgültig und unwiderruflich Besitz von ihm zu ergreifen.
Epilog
Im Spätsommer machten wir Urlaub in Key West. Um diese Zeit ist es dort heiß, und die Sonne brennt gleißend hell. Es ist billig, in den Straßen verlaufen sich kaum Touristen, und das Golfmeer ist limettengrün mit weißen Schaumkronen, so weit das Auge reicht. Dunkle Stellen im Wasser bewegen sich wie Tuschewolken über die Korallenriffs.
Aber es war mehr als nur eine Pause von der Polizeiarbeit. Ich hatte mir bis auf weiteres unbezahlten Urlaub genommen. Ich klammerte mich nicht länger an die Probleme anderer Menschen, und damit fiel eine ganze Menge anderer Dinge von mir ab – der verbissene Ernst, die ganze Wut und der ganze Ärger, die überwältigende Vielschichtigkeit vieler Probleme, ganz genauso, wie man es schließlich einfach leid ist, weiter zu trauern oder einer Schuld nachzuhängen oder einen fortwährenden schweren
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