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Weißglut

Weißglut

Titel: Weißglut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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bloß: »Sie entsprechen allen Vorurteilen, die ich über Sie hegte. Ich hatte erwartet, dass Sie mich beleidigen würden.«
    »Beleidigen? Ich habe versucht, Ihnen ein Kompliment zu machen.«
    »Vielleicht sollten Sie mal im Wörterbuch nachschlagen.«
    »Was?«
    »Die Definition von ›Kompliment‹.«
    Sie rutschte endgültig von der Bank und stolzierte durch den Raum davon, kam aber erneut nur bis zu der Portiere, die den Wintergarten vom Foyer abtrennte, wo sich die aufbruchsbereiten Gäste drängten. Ein paar von ihnen blieben stehen und sprachen ihr mit gedämpfter Stimme das Beileid aus.
    Inmitten dieser Gruppe stand Sheriff Red Harper. Sein Gesicht war in den vergangenen zehn Jahren noch länger und hagerer geworden, aber sie hätte ihn trotzdem überall wiedererkannt. Ehe er ging, sah sie, wie er Huffs und Chris’ Hände schüttelte und ihnen ein paar Worte zuflüsterte. Die heimliche Unterhaltung rief ihr ins Gedächtnis, warum sie in dieses Haus zurückgekehrt war, obwohl sie sich einst geschworen hatte, es nie wieder zu betreten.
    Beck Merchant war hinter sie getreten. Sie spürte seine Nähe. Leise, aber doch so laut, dass er es hören musste, sagte sie: »Red Harper bezweifelt, dass Dannys Tod ein Selbstmord war?«
    »Gehen wir nach draußen.«
    Er umfasste ihren Ellbogen, aber sie drehte sich augenblicklich um und befreite sich aus seinem Griff. »Bleiben wir lieber hier.«
    Er schien sich über ihre Abfuhr zu ärgern, wurde aber nicht laut. »Sind Sie sicher, dass Sie hier darüber sprechen möchten, wo uns jeder hören kann?«
    Ihr langer, eisiger Blick steigerte sich zu einem Kräftemessen, dann aber verließ sie unvermittelt den Raum und marschierte los in den rückwärtigen Teil des Hauses, als wüsste sie genau, dass er ihr folgen würde. Als sie die Küche durchquerten, fragte Selma, die gerade die Geschirrspülmaschine belud, ob sie schon etwas gegessen hatten.
    »Ich esse später«, erklärte ihr Sayre.
    »Ich auch«, echote Beck.
    Beim Hinauseilen durch die Hintertür rief Selma ihnen hinterher: »Sie müssen etwas essen. Sie brauchen Ihre Kräfte.«
    Ohne lange über ihr Ziel nachdenken zu müssen, eilte Sayre über den manikürten Rasen in Richtung Bayou. Das schlammige Ufer hinter dem Haus war ihr als kleines Mädchen bereits ein Zufluchtsort gewesen. Hierher war sie geflohen, um zu schmollen, wenn es einmal nicht nach ihrem Willen ging, um der geladenen Atmosphäre im Haus zu entkommen, wenn Huff grollte, oder um sich vor Chris zu verstecken, dessen liebster Zeitvertreib darin bestanden hatte, sie zu quälen und zu necken.
    Stundenlang hatte sie unter den Ästen der Zypressen und uralten Eichen gelegen und sich den jeweils lebensbestimmenden Gefühlen ergeben. Hier hatte sie kühne und ehrgeizige Zukunftspläne geschmiedet. Manchmal hatte sie grausame Rachepläne für eine erlittene oder eingebildete Beleidigung ausgeheckt. Oft hatte sie von einem Familienleben zu träumen gewagt, in dem die Familienmitglieder öfter lachten und weniger schrien, wo mehr Umarmungen und weniger Streit herrschten, wo Eltern und Kinder einander wirklich liebten.
    Als sie sich nun dem einstmals vertrauten Fleck näherte, musste sie zu ihrer Enttäuschung erkennen, dass das dichte Gebüsch, unter dem sie sich damals versteckt hatte, einem Begonienbeet hatte weichen müssen. Es waren hübsche Blumen, aber kein Versteck für ein kleines Mädchen auf der Suche nach ungestörtem Frieden.
    Dafür jedoch hing die alte Schaukel noch an dem festen, waagerechten Ast einer alten Eiche, an Seilen, dick wie ihre Handgelenke. Der Sitz war verwittert, aber man hatte ihn nicht entfernt, und darüber war sie froh.
    Sie fuhr mit dem Finger an dem kratzigen Seil auf und ab. »Ich kann nicht glauben, dass sie immer noch hier hängt.«
    »War das Ihre Schaukel?« Beck stand auf der anderen Seite des Sitzes.
    »Früher kümmerte sich der alte Mitchell – ich kannte ihn damals nur unter diesem Namen – um unseren Garten. Er hat die Schaukel für mich angebracht. Er erzählte mir, die Seile stammten von einem Geisterschiff, das vor Terrebonne Parish im Meer gesunken sei. Ein Piratenschiff, das vom schlimmsten Hurrikan in der Geschichte der Menschheit zerschmettert worden ist. Alle an Bord sind damals umgekommen.
    Aber den Geistern der Piraten gefiel es so gut in Looz-ana, dass sie lieber hierbleiben wollten, als in den Himmel aufzusteigen. Wahrscheinlich hätten sie im Himmel sowieso keinen besonders guten Platz erhalten, weil

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