Weißglut
Red.
»Sobald er von dieser Unterhaltung hört, wird er liebend gern alle Anschuldigungen widerlegen.«
»Es ist trotzdem unabdingbar, dass er noch heute kommt« , betonte der Sheriff.
»Nach dem Mittagessen ist er hier.«
»Also gut.«
Wayne Scott schien mit dem Arrangement nicht wirklich zufrieden zu sein, aber ihm blieb nichts anderes übrig, als sich zu fügen. »Haben Sie Angst, Madam?«
Sayre sah zu ihm auf. »Angst?«
»Watkins hat gedroht, Sie umzubringen.«
»Er hatte die Gelegenheit, mich umzubringen. Er hat es nicht getan.«
»Nur zur Sicherheit werde ich vor Ihrem Motel einen Streifenwagen postieren.«
»Nein, Red. Bitte nicht.«
»Wenn Huff davon erfährt, können Sie sich darauf verlassen …«
»Und ich bin sicher, dass Sie ihm alles erzählen werden«, fiel sie ihm ins Wort. »Aber ich möchte keine Wachhunde vor meiner Tür haben. Ich werde das nicht zulassen, Sie brauchen also gar nicht erst welche zu schicken.«
»Na dann … passen Sie auf sich auf«, sagte er resigniert.
»Das werde ich.« Sie stand auf. »Wäre das alles?«
»Einstweilen ja.«
Sie verabschiedete sich mit einem Nicken von Red und Deputy Scott, würdigte Beck aber keines Blickes. Wenig später eilte sie aus dem Gebäude und hatte schon fast ihr rotes Cabrio erreicht, als sie hörte, dass er sie rief. Sie ging weiter. Erst an der Wagentür hatte er sie eingeholt.
Sobald sie seine Hand auf ihrer Schulter spürte, fuhr sie herum. Ehe sie auch nur ein Wort herausbringen konnte, sagte er: »Ich weiß, dass du sauer bist.«
» Sauer trifft es nicht mal annähernd.«
»Und ich kann dich verstehen. Aber hör mich an, Sayre. Nimm Reds Angebot an, und lass dich beschützen.«
Sie lachte verbittert. »Du glaubst mir also doch? Du hältst meine Begegnung mit Watkins nicht für ein Hirngespinst?«
»Natürlich glaube ich dir.«
»Es macht dir nur Spaß, mich vor anderen Leuten als blöd hinzustellen und mich zu diskreditieren. So wie es aussieht, ist das inzwischen dein liebster Zeitvertreib.«
»Ich bin Chris’ Anwalt.«
»Woran du eben keinen Zweifel gelassen hast.«
Sie öffnete die Wagentür und stieg ein, aber er hinderte sie daran, die Tür zuzuschlagen. Halb vorgebeugt, redete er hastig und verärgert auf sie ein. »Chris vertraut darauf, dass ich in seinem Interesse handle. Ich könnte sein Vertrauen genauso wenig enttäuschen, wie du das Vertrauen von Dannys Verlobter enttäuschen könntest.
Du hattest die ideale Gelegenheit, ein Mordmotiv zu liefern, Sayre. Du hast es nicht getan. Du konntest es nicht. Weil du dieser Frau dein Wort gegeben hast, nichts zu verraten. Warum sollten die Regeln für Vertraulichkeit nur für dich gelten?«
Theoretisch hatte er damit Recht. Es wäre ein Verstoß gegen seine Berufsethik gewesen, wenn er sich nicht für seinen Mandanten eingesetzt hätte. Aber es änderte nichts daran, dass sie stinkwütend war.
»Lass die Tür los.«
»Wohin fährst du?«
»Überallhin, wo es mir gefällt, verflucht noch mal.« Sie zerrte erneut vergeblich an der Tür.
»Hör zu, Sayre. Vergiss für einen Augenblick, dass du wütend auf mich bist, und konzentrier dich auf Watkins. Du musst seine Drohungen ernst nehmen. Er ist vielleicht nicht besonders helle, aber das macht ihn umso gefährlicher. Vielleicht wollte er dir heute früh tatsächlich nichts tun, aber jetzt hast du Red seine Nachricht übermittelt und damit deinen Zweck erfüllt. Vielleicht kommt er zurück, um ein Exempel zu statuieren. Watkins hasst alles, was Hoyle heißt. Du bist eine Hoyle, Sayre, ob es dir gefällt oder nicht, und …« Sein Blick wanderte an ihrem Körper entlang. »Du stichst überall heraus.«
»Sehr gut. Dann wird man mich unter den Streikposten umso besser erkennen.«
Zum zweiten Mal an diesem Tag steuerte Beck seinen Pick-up auf den Parkplatz vor dem Sheriffbüro und stellte ihn neben Chris’ Porsche ab. Sie hatten vereinbart, sich hier zu treffen, nachdem Chris zum Lunch mit Huff heimgefahren war.
Beck ließ die Fenster des Pick-ups unten, als er ausstieg, obwohl die Temperatur in der Kabine dadurch kaum weniger ansteigen würde, während er im Büro des Sheriffs war. Es gab kein Entkommen vor der stickigen Hitze. Selbst im klimatisierten Sheriffgebäude schmeckte die Luft modrig und abgestanden.
»Hoyle ist im letzten Raum rechts«, informierte ihn der Deputy am Empfang, ein Pat Sowieso.
»Danke.«
Beck klopfte kurz an und öffnete dann die Tür zu der kleinen Kammer, in die mit Mühe ein
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