Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
Premierminister in der Geschichte Australiens, der von einem bestimmten Zweig der Industrie politisch geköpft wurde.
Doch als Nächstes stand Julia Gillard auf der Abschussliste.
Die frühere Gewerkschaftsanwältin hatte nach dem Machtwechsel rasch Wahlen ausgerufen. Doch das Ergebnis war unklar. Gillard, jetzt die Chefin einer in sich zerstrittenen Partei, stand dem neuen Führer der Konservativen gegenüber, Tony Abbott. Drei Wochen lang buhlten er und Gillard um die Gunst des ersten grünen Abgeordneten im Unterhaus und um eine Handvoll Unabhängiger. Abbott meinte, er werde alles tun, um Premierminister zu werden, außer »meinen Arsch zu verkaufen«.
Gillard siegte.
Tony Abbott sollte es nie verkraften, einer Frau unterlegen zu sein. Die Konservativen starteten eine Kampagne konstanter Negativität. Obwohl es Gillard gelungen war, in einem »hängenden Parlament« mehrere wichtige Vorlagen durchzubringen, und obwohl die Wirtschaft dank der Nachfrage nach Rohstoffen die Finanzkrisen der letzten Jahre fast klaglos überstanden hatte, hatte Gillard nie eine Chance. Denn einmal mehr stellten sich die Murdoch-Medien gegen die Regierung. Die Blätter waren von hinten bis vorne voll mit Anti-Gillard- und Anti-Labor-Propaganda. Die erste Frau an der Spitze einer australischen Regierung musste sich jeden Tag offen sexistische Kommentare anhören, auch von Abbott. Die konservativen »Shock Jocks« schlugen in dieselbe Kerbe. Bereits von internen Skandalen geschwächt, knickte die Laborpartei ein zweites Mal ein. Im Juni 2013 holte sie Rudd wieder ins Amt zurück, fast auf den Tag genau drei Jahre seit seinem spektakulären Niedergang.
KAPITEL 38
Das Leben im australischen Busch kann gefährlich sein für den, der’s eilig hat. Ich bin schon fast zu spät. Vorspielstunde für die Eltern in der Musikschule. Da will ich natürlich dabei sein. David spielt Gitarre. Dann sehe ich das Holzbrett. Es liegt am Boden vor dem Shed, schon wochenlang, wenn nicht schon seit Monaten. Ich hätte wahrscheinlich hundertmal Gelegenheit gehabt, es aus dem Weg zu räumen. Den Autoschlüssel in der einen Hand, die Tasche in der andern, bücke ich mich und hebe das Brett an. Der Schmerz ist augenblicklich da und extrem, wie drei Wespenstiche auf einmal. Ich lasse das Brett fallen und sehe, wie sich eine Rotrückenspinne in einem Riss verkriecht.
So oft hatte ich unseren Kindern gepredigt: Ein Gegenstand, der auf dem Boden liegt, muss immer langsam hochgehoben werden, am besten mit einem Stock oder mit Handschuhen. Erst wenn man sicher ist, dass sich darunter nichts versteckt, darf man ihn entfernen. Schlangen lieben es, sich unter einem Brett zu verkriechen. Und Spinnen auch, ganz besonders Rotrückenspinnen. Deshalb haben sie auch diese Vorliebe für Klodeckel als Verstecke. Eigentlich sieht eine Rotrückenspinne ganz hübsch aus. Klein, schwarz, mit einem roten Strich auf dem Rücken. Aber sie ist eine der giftigsten Australiens.
Die Bissstelle an meiner linken Hand ist so klein, dass ich den roten Punkt kaum sehen kann. Doch das Tier hat mich richtig erwischt und konnte viel Gift einspritzen. Zwar sind in der jüngeren Geschichte Australiens nur 14 Todesfälle durch Rotrückenspinnen bekannt geworden, viele davon Kinder, in deren Körper auch schon eine geringe Menge Gift deutlich mehr Schaden anrichten kann als in einem Erwachsenen. Ein 90 Kilo schwerer gesunder Mann hat laut Statistik wenig zu befürchten. Dann erinnere ich mich an Jo, einen Klempner, der mir erzählt hatte, wie ihm zumute war, als ihn eine »Red Back« erwischte, unter sehr ähnlichen Umständen. »Ich griff in eine Plastikröhre, ohne vorher reinzuschauen. Ich bin fast gestorben. Zwei Wochen lang lag ich im Bett.« Der Mann wiegt 130 Kilo.
Ich muss also ins Krankenhaus. Das Problem ist nur, dass ich keine Zeit habe. David wartet auf mich. Und ich muss ihn abholen, es gibt keine Alternative. Christine und Samuel sind in Sydney, unsere Woofer sind weitergereist. Viola und Keith und Trish, meine Freunde, die ich vielleicht hätte anrufen können, sind weg. Ich bin alleine. So fahre ich los, Richtung Greentown. Ich kann das Lenkrad kaum halten. Nach drei Kilometern ist der Schmerz in meinem Oberarm, nach zehn Kilometern in der Schulter. Mein Arm fühlt sich an, als wäre er voller Ameisen. Rote Ameisen, bissige Ameisen. Geschwollen ist er kaum.
Als ich in der Musikschule ankomme, höre ich aus der Distanz das Gitarrenspiel der Kinder. Mein Puls ist auf 130,
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