Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
Männern vorbehalten ist.
Bei TGG machen wir uns an die Verbesserung des Internetauftritts – entscheidend, um unsere Ideen zu verbreiten, unsere Philosophie. Wir haben schon längere Zeit eine gute Webseite. Um die Kommunikation wirklich anzukurbeln, brauchen wir aber eine Facebook-Präsenz, sagt Alex. Er ist der Technologie-Experte in unserer Gruppe. »The Greentown Dialogue« ist geboren. Es soll ein Forum sein, in dem wir die Diskussion über politische Themen ankurbeln. Und natürlich über Klimawandel. Wir haben einen guten Start. Dutzende von neuen Mitgliedern melden sich sofort an. Doch plötzlich werden wir überschwemmt mit klimaskeptischem Material, mit Statistiken und obskuren »Studien«. Quelle des pseudowissenschaftlichen Schunds ist nicht etwa ein konservativer »Thinktank« oder ein extremer Politiker. Es ist Ted, der Ehemann von Samuel und Davids Lehrerin Berta.
Da ich die Facebook-Seite moderiere, trage ich selten selbst etwas zur Debatte bei. Muss ich auch nicht. Ted hat sich in kürzester Zeit in ein Streitgespräch mit jenen Mitgliedern verwickelt, die anders denken als er. Der Mann ist Akademiker und eindeutig nicht dumm. Aber er hasst alles, was in seinen Augen »grün« ist. Klimawissenschaften empfindet er als »Betrug« von Seiten ein paar »geldgieriger Forscher«, die Auswirkungen des Klimawandels – sofern es ihn überhaupt gebe – als »übertrieben«. Kohle sieht er als einzige zuverlässige, »billige« Quelle von Energie. »Kohlendioxid ist ein gutes Gas«, meint er, »es hat einen wärmenden Effekt auf die Atmosphäre, so dass man nun auch in kälteren Gebieten Landwirtschaft betreiben und den Hunger der Welt lindern kann.« Bei solch absurden Ideen werden die Debatten auf unserer Seite zwangsläufig ziemlich hitzig.
Nun kann ich mich auch nicht mehr zurückhalten und debattiere mit. Und eine halbe Stunde später treffe ich Ted beim Einkaufen im Supermarkt. Das sind die Nachteile des Lebens in einer kleinen Gemeinde: Man läuft sich über den Weg, ob man will oder nicht. Jeder kennt jeden. »Ich bin bald eine Einheimische«, sagt Christine, wenn sie auf der Straße alle paar Meter wieder jemand anhält. Als Gemeindekrankenschwester kennt sie zehnmal so viele Leute wie ich. Und sie ist beliebt. »Sie haben eine wunderbare Frau«, habe ich schon mehr als einmal von Leuten gehört, nach denen Christine schaut, denen sie den Verband wechselt, die Insulinspritze gibt.
Für Ted – und er ist nicht der Einzige in diesem Forum, der solche Ansichten hat – scheint der Kampf gegen »Progressive« ein Sport zu sein. Wie Rugby eben. Nur einer gewinnt. Der andere muss mindestens ein blaues Auge haben. Sonst macht der Sieg keinen Spaß.
Rugbypolitik. Seit ich diesen Begriff vor bald 20 Jahren zum ersten Mal verwendet hatte, um meinen Zeitungen die Raubeinigkeit australischer Politiker zu erklären, ist die Qualität der öffentlichen Debatte geradezu spektakulär zurückgegangen. War »Konsens« früher ein Fremdwort in der australischen Politik, ist es heute ein Schimpfwort. Keine Person des öffentlichen Lebens kann darüber ein längeres Lied singen als Kevin Rudd. Von beiden Seiten des Spielfeldes. Er ist Schläger und Geschlagener, Opfer und Täter. Wie kein Zweiter hat er das öffentliche Leben in Australien während der letzten Jahre geprägt. Seine Geschichte zeigt, in welche Richtung sich Macht und Einfluss in Australien in den letzten Jahren verschoben haben. Rudd war auch jener Premierminister, mit dem ich in den über 20 Jahren meiner Arbeit als Korrespondent am meisten zu tun hatte.
»G’Day, ich bin Kevin«, sagte Kevin Rudd und streckte mir die Hand zum Gruß entgegen. »Ich weiß«, antwortete ich, »guten Tag, Premierminister.« Ein paar Sekunden lang hatte ich nicht bemerkt, dass Rudd hinter mir stand. Es war im Frühjahr 2010. Ich saß im größten Büro des Parlamentsgebäudes in Canberra und sprach mit seinem Pressechef. Ich habe im Verlauf der letzten 20 Jahre mehrere Regierungschefs kennengelernt – Labor-Premierminister Paul Keating nur für ein paar Minuten, seinen Nachfolger John Howard vielleicht für zwei Stunden. Den Konservativen hatte ich einmal in seinem Büro interviewt. Ein unangenehmer, arroganter Mann, sehr von sich überzeugt, wie so viele Politiker. Der Mann ließ mich selten eine Frage fertigstellen. Er unterbrach mich fast jedes Mal, nur um eine Antwort zu geben, die keinen Bezug zum Gefragten hatte. Kevin Rudd war um einiges
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