Weit weg ... nach Hause
sie den zweiten Mürbeteigboden mit Obst, Luisa schlägt fünf Eier mit
Zucker und Butter für einen Schokoladenkuchen.
»Wer soll das alles essen, Mama?«, fragt sie zweifelnd.
»Ihr seid schließlich sechs Mädchen!«, antwortet Katja.
»Die finden sich sowieso zu dick. Außerdem gehen wir ins Kino!«, erwidert Luisa.
»Welchen Film wollt ihr euch anschauen?«
»›Vier Mädchen und ein Einbrecher‹! Eine Komödie! Soll superwitzig sein. Ist ab 12, und alle wollen da rein.«
»Kann ich mitkommen?«, fragt Katja.
»Nein!«, ruft Luisa entsetzt. »Du brauchst uns auch nicht hinzufahren. Wir nehmen den Bus!«
Katja fragt nicht weiter, offensichtlich hat sie die Botschaft verstanden.
Am Abend stehen drei Kuchen auf dem Küchentisch, einer davon ist Luisas erster selbst gebackener Schokoladenkuchen.
Als sie im Bett liegt, ist ihr plötzlich ziemlich mulmig. Dreimal dreht sich der Magen von links nach rechts. Sie darf nicht
an die Kuchen denken. Wie wird das wohl morgen? Sie fühlt sich schrecklicher als vor einer Mathearbeit und kann überhaupt
nicht schlafen. Während sie ihr Kopfkissen an die Brust drückt und zu Johnny Depp schaut, träumt sie, wie sie mit den Mädchen
Geburtstag feiert:
Erst loben sie ihren Schokokuchen, dann fahrensie mit dem Bus ins Kino, sie sitzen zusammen im großen Kinosaal, sie essen Nachos, trinken Cola und amüsieren sich wie blöde.
Am Abend sagen ihr die Mädchen, die jetzt endlich echte Freundinnen geworden sind, dass es ein toller Geburtstag war, und
dann verabschieden sie sich von Luisa mit Küsschen links und Küsschen rechts. Und Luisa? Sie strahlt.
Das war der schönste Geburtstag ihres Lebens. Lächelnd schläft sie ein.
Auf so einen Geburtstag kann man verzichten
Donnerstag, 7. März, Luisas Geburtstag. Am Morgen wurde sie mit einem gruselerregenden Trällerständchen von ihrer Mutter geweckt. Schauspielern
kann sie vielleicht, aber Singen ist nicht ihre Stärke. Carlo hatte sich glücklicherweise geweigert mitzuschmettern. Das Geschenk
soll Luisa erst bekommen, wenn Thomas wieder zurück ist.
»Hund oder Handy?«, hat sie die Mutter übermütig gefragt, aber die hat nur den Kopf geschüttelt und wollte nichts verraten.
Beides hat sie sich gewünscht. Beides hat bei den Eltern mittleres Entsetzen ausgelöst. Wahrscheinlich schenken sie ihr einen
Schlafanzug oder was noch Sinnvolleres: zum Beispiel einen Duden mit neuer Rechtschreibung.
Kinder bekommen ja selten die Geschenke, diesie sich wünschen. Das Gleiche hat nämlich Luisas Mutter auch von ihrer Kindheit erzählt. Zum dreizehnten Geburtstag wünschte
sie sich sehnlichst einen Plattenspieler – damals gab es ja keine CDs oder Mp 3-Player . Und was lag auf ihrem Geschenketisch? Für Katja war es der Schock ihres Lebens: eine Lammfelljacke mit pelzummantelter Kapuze.
Ein hundertprozentiges Reiche-Eltern-Kind-Anziehteil. Und? Hat Katja daraus gelernt? Nein! Sie hat ihre eigene Geschichte
in den letzten Jahren offensichtlich vergessen. Deshalb rechnet Luisa mit dem Terrier schon mal gar nicht, aber das neue Telefon
wäre super wichtig. Es muss ja kein Fotohandy sein, aber es ist schon peinlich, dass sie noch immer mit so einem Riesenapparat
herumläuft. Der passt noch nicht mal in eine Hosentasche.
Als sie am Geburtstagsmorgen in die Schule kommt, herrscht absolutes Chaos: Der Hausmeister ist erkrankt und die Heizung ausgefallen.
Die Schüler sitzen in Jacken und Mützen an ihren Tischen. Einige tragen Handschuhe und behaupten, sie könnten nichts von der
Tafel abschreiben. In dem Durcheinander denkt niemand an Luisas Geburtstag. Das macht ihr nichts aus, sie steht nicht gern
im Mittelpunkt. Nach der zweitenStunde ist der Zustand in den Köpfen und die Temperatur in den Klassenräumen unerträglich. Auch Frau Thiele kann dick vermummt
mit Pelzkragen und Stirnband kaum vernünftigen Unterricht erteilen, deshalb schickt sie die Schüler frühzeitig nach Hause:
»Bevor euch das Hirn komplett einfriert!«, lächelt sie angestrengt.
Fluchtartig verlassen alle den Klassenraum und das Schulgebäude. Luisa ist verunsichert: Niemand hat ihr gratuliert, das ist
die eine Sache, aber es hat sich auch niemand bis zum Nachmittag verabschiedet.
Sie fährt nach Hause. Keiner da! Luisa lässt sich aufs Sofa fallen und macht den Fernseher an. Dann zappt sie in einem rasanten
Tempo durch die Programme: Musik, Musik, Talkshow, Talkshow, Simpsons, Talkshow. Langeweile!
Auf einem
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