Weit wie das Meer
sagte sie mit triumphierendem Lächeln. »Unser geheimnisvoller Schreiber heißt Garrett Blake.«
»Unglaublich, daß du ihn wirklich gefunden hast…«
Deanna nickte, als wäre ihr etwas gelungen, das selbst sie kaum für möglich gehalten hätte.
»Glaub mir, die alte Schachtel hier weiß immer noch, wie man an Informationen rankommt.«
»Kein Zweifel.«
»Gibt’s noch was anderes, was du wissen willst?«
Theresa dachte einen Augenblick nach.
»Kannst du auch etwas über Catherine herausfinden?«
Deanna zuckte die Achseln und überlegte. »Ob’s klappt, weiß ich nicht, aber wir können’s versuchen. Ich will mal das Lokalblatt anrufen und nachfragen, ob sie irgend etwas in ihrem Archiv haben. Wenn es ein Unfalltod war, könnte darüber berichtet worden sein.«
Also rief Deanna noch einmal das Wilmington Journal an, erfuhr aber, daß die Ausgaben, die älter als drei oder vier Jahre waren, nur noch auf Mikrofiche gespeichert und deshalb nicht so leicht zugänglich waren. Also fragte Deanna nach der Person, an die Theresa sich wenden konnte, falls sie nach Wilmington fuhr, um vor Ort weitere Nachforschungen anzustellen.
»Ich glaube, das ist alles, was wir von hier aus unternehmen können. Der Rest ist deine Sache, Theresa. Aber immerhin weißt du, wo du ihn finden kannst.«
Deanna hielt ihr den Zettel mit dem Namen hin. Theresa zögerte. Nachdem Deanna sie prüfend gemustert hatte, legte sie das Papier auf den Tisch. Dann nahm sie erneut den Hörer ab.
»Wen rufst du jetzt noch an?«
»Mein Reisebüro. Du brauchst einen Flug und ein Hotel.«
»Ich habe noch nicht mal gesagt, daß ich hinfahre.«
»Oh, das wirst du.«
»Wie kannst du so sicher sein?«
»Weil ich nicht will, daß du die nächsten zwölf Monate in der Redaktion herumhockst und grübelst, was gewesen wäre, wenn… Du arbeitest nicht gut, wenn du zerstreut bist.«
»Deanna…«
»Nichts mehr mit Deanna. Du weißt, daß dich die Neugier verrückt machen würde. Sie macht mich ja schon verrückt.«
»Aber…«
»Nichts aber.« Nach einem kurzen Schweigen klang Deannas Stimme sanfter. »Theresa, bedenke - du hast nichts zu verlieren. Das Schlimmste, was passieren könnte, ist, daß du in wenigen Tagen zurückfliegst. Das ist alles. Du gehst nicht auf eine Expedition, um einen Kannibalenstamm aufzuspüren. Du willst nur herausfinden, ob deine Neugier berechtigt war.«
Sie blickten einander schweigend an. Um Deannas Mundwinkel spielte ein spöttisches Lächeln, und Theresa fühlte ihr Herz schneller schlagen, als ihr die Endgültigkeit der Entscheidung zu Bewußtsein kam. Mein Gott, ich tue es tatsächlich, dachte sie. Ich kann’s nicht fassen.
Trotzdem unternahm sie einen letzten halbherzigen Versuch zu protestieren.
»Ich weiß nicht mal, was ich sagen soll, wenn ich vor ihm stehe…«
»Ich bin sicher, dir fällt bis dahin was ein. Nun laß mich diesen Anruf erledigen. Hol deine Handtasche. Ich brauche deine Kreditkartennummer.«
Theresas Gedanken wirbelten wild durcheinander, als sie aufstand und zu ihrem Schreibtisch ging. Garrett Blake. Wilmington. Island Diving. Fortuna. Immer wieder wiederholte sie diese Worte, als probte sie für eine Bühnenrolle.
Sie schloß die untere Schublade ihres Schreibtisches auf, wo sie ihre Handtasche aufbewahrte, und zögerte eine Sekunde, bevor sie zurückging. Doch etwas Unwiderstehliches hatte von ihr Besitz ergriffen, und schließlich händigte sie Deanna ihre Kreditkarte aus. Am nächsten Abend würde sie nach Wilmington in North Carolina aufbrechen.
Deanna schlug ihr vor, sich den restlichen Tag und den folgenden frei zu nehmen. Als Theresa ihr Büro verließ, hatte sie den Eindruck, sie sei in die Enge getrieben worden - genauso wie sie den alten Mr. Shendakin in die Enge getrieben hatte.
Aber im Gegensatz zu Mr. Shendakin war sie tief im Innern froh darüber. Und als das Flugzeug am folgenden Tag in Wilmington landete, fragte sie sich, wohin das alles führen würde.
5. Kapitel
Theresa wachte wie gewöhnlich früh auf, sprang aus dem Bett und trat ans Fenster. Die Sonne von North Carolina kämpfte sich schon durch den Morgendunst. Theresa zog die Balkontür auf, um frische Luft hereinzulassen.
Im Badezimmer schlüpfte sie aus ihrem Pyjama, und als sie unter der Dusche stand, dachte sie, wie einfach es gewesen war, hierherzukommen. Vor nicht einmal achtundvierzig Stunden hatten Deanna und sie noch beisammen gesessen, die Briefe studiert und telefoniert, um Garrett ausfindig
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