Weit wie das Meer
doch die Fortuna war aus naturbelassenem Holz. Bald war sie fündig geworden und lief auf den Steg zu, an dem das Boot lag.
Obwohl Theresa ziemlich nervös war, glaubte sie, daß ihr der Aufenthalt im Laden ein paar Anregungen gegeben hatte, worüber sie sprechen könnte. Wenn sie ihn sah, würde sie ihm einfach erzählen, daß sie den Artikel über die Fortuna gelesen habe und sich das Boot aus der Nähe ansehen wolle. Das würde glaubhaft klingen, und sie hoffte, es würde sich ein längeres Gespräch daraus entwickeln. Dann konnte sie sich natürlich auch ein Bild davon machen, was für ein Mensch er war. Und danach… nun, das würde sich zeigen.
Als sie jedoch beim Boot angelangt war, konnte sie niemanden ringsum sehen, weder auf dem Boot noch auf dem Pier. Das Boot war verriegelt, das Segel steckte in der Hülle. Nachdem sie vergebens nach Garrett Ausschau gehalten hatte, überprüfte sie den Namen auf der Rückseite des Boots. Es war ohne Zweifel die Fortuna. Sonderbar, dachte sie, der Mann im Laden hatte ihr doch versichert, Garrett sei hier.
Statt gleich zum Laden zurückzukehren, blieb sie noch ein Weilchen, um die Fortuna zu bewundern. Sie war wirklich schön - schöner als alle umliegenden Boote. Sie besaß sehr viel mehr Charakter, und Theresa verstand, warum ihr die Zeitung einen Artikel gewidmet hatte. Irgendwie fühlte sie sich an die Piratenschiffe erinnert, die sie aus Kinofilmen kannte. Sie lief hin und her, um das Boot aus allen Blickwinkeln zu begutachten, und versuchte sich vorzustellen, wie es vor seiner Restaurierung ausgesehen haben mochte. Das meiste sah neu aus, doch sie konnte sich nicht vorstellen, daß alles Holz ausgetauscht worden war. Wahrscheinlich hat man es abgeschmirgelt, dachte sie. Und beim näheren Hinsehen entdeckte sie Kerben im Rumpf, die ihre Theorie zu bestätigen schienen.
Schließlich beschloß sie, es später noch einmal im ›Island Diving‹ zu versuchen. Der Mann im Laden hatte sich wohl geirrt. Nach einem letzten Blick auf das Boot wandte sie sich zum Gehen.
Wenige Schritte entfernt stand ein Mann, der sie aufmerksam beobachtete.
Garrett…
Sein Hemd war von der morgendlichen Hitze an mehreren Stellen durchgeschwitzt. Die Ärmel waren hochgekrempelt und entblößten seine kräftigen Armmuskeln. Seine Hände waren schwarz, wohl von Öl, und die Taucheruhr, die er am Handgelenk trug, war zerkratzt. Er trug braune Shorts und Top-Siders ohne Socken und sah aus wie jemand, der die meiste, wenn nicht all seine Zeit am Meer zubrachte.
Er bemerkte, wie sie unwillkürlich einen Schritt zurückwich. »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?« fragte er. Er lächelte, kam aber nicht näher, als fürchtete er, sie könne sich in die Enge gedrängt fühlen.
Genauso aber fühlte sie sich, als sich ihre Blicke jetzt begegneten.
Zuerst konnte sie ihn nur anstarren. Obwohl sie ein Foto von ihm gesehen hatte, fand sie ihn noch attraktiver, als sie erwartet hatte - warum, wußte sie nicht. Er war groß und breitschultrig. Sein Gesicht - nicht im herkömmlichen Sinne schön - war gebräunt und zerklüftet, als hätten Sonne und Meer ihren Tribut gefordert. Seine Augen waren bei weitem nicht so ausdrucksstark wie Davids, aber es lag etwas Bezwingendes, etwas ausgesprochen Männliches in der Art, wie er vor ihr stand.
Sie besann sich auf ihren Plan und holte tief Luft.
»Ich habe nur Ihr Boot bewundert. Es ist wirklich umwerfend schön.«
Er rieb sich die Hände, um das Motorenöl zu entfernen. »Danke«, erwiderte er höflich. »Nett, daß Sie das sagen.«
Jetzt, als er sie anblickte, kam ihr die ganze Situation zum Bewußtsein - wie sie die Flasche gefunden hatte, ihre wachsende Neugier, ihre Nachforschungen, ihre Reise nach Wilmington und nun dieses Zusammentreffen. Verwirrt schloß sie die Augen und rang verzweifelt um Fassung. Irgendwie hatte sie nicht damit gerechnet, daß alles so schnell gehen würde. Einen Augenblick lang empfand sie nichts als reines Entsetzen.
Er kam einen kleinen Schritt näher. »Alles in Ordnung?« fragte er besorgt.
Sie atmete noch einmal tief durch und versuchte sich zu entspannen. »Ich denke schon«, sagte sie. »Mir war nur eine Sekunde lang schwindelig.«
»Sind Sie sicher?«
Sie strich sich durchs Haar. »Es geht schon wieder. Wirklich.«
»Gut«, sagte er zögernd. Schließlich fragte er mit einer gewissen Neugier: »Sind wir uns schon einmal begegnet?«
Theresa schüttelte langsam den Kopf. »Ich glaube nicht.«
»Woher
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