Weit wie das Meer
sich wirklich verstanden fühlte. Letztes Jahr hatte ihn sein Vater ermahnt, er solle wieder Bekanntschaften schließen. »Es ist nicht recht, daß du ständig allein bist«, sagte er. »Du darfst dich nicht kleinkriegen lassen.« Garrett wußte, daß sein Vater recht hatte, aber er hatte kein Bedürfnis nach neuen Bekanntschaften. Seit Catherines Tod hatte er mit keiner Frau mehr geschlafen, und, was noch schlimmer war, er hatte gar kein Verlangen danach. Ihm war, als wäre etwas in seinem Innern gestorben. Als Garrett seinen Vater fragte, warum er seinen Rat beherzigen solle, wo er selbst doch nie wieder geheiratet habe, blickte der nur beiseite. Und dann sagte er etwas, das beide nicht mehr losließ und das er später bereute.
»Glaubst du wirklich, ich könnte jemanden finden, der es wert ist, ihren Platz einzunehmen?«
Im Laufe der Zeit nahm Garrett die Arbeit in seinem Laden wieder auf und bemühte sich, ein einigermaßen normales Leben zu führen. Er blieb abends lange in seinem Büro, um möglichst spät nach Haus zu gehen. Wenn es draußen dunkel war, machte er im Haus möglichst wenig Licht, damit er die Dinge, die Catherine gehört hatten, nicht so deutlich wahrnahm. Er gewöhnte sich an sein einsames Dasein; er kochte, putzte, wusch seine Wäsche und arbeitete sogar im Garten, wie sie es früher getan hatte - ohne daß es ihm freilich die gleiche Freude machte.
Er glaubte, über den Tiefpunkt hinweg zu sein, aber als es Zeit wurde, Catherines Sachen wegzugeben, brachte er das nicht übers Herz, und so nahm sein Vater die Sache in die Hand. Als Garrett von einem Tauchwochenende zurückkam, war alles, was ihr gehört hatte, verschwunden. Ohne ihre Sachen kam ihm das Haus so leer vor, daß er keinen Grund mehr sah, dort wohnen zu bleiben. Innerhalb eines Monats verkaufte er es und zog in ein kleineres Haus am Carolina Beach.
Sein Vater hatte jedoch nicht alles gefunden, was Catherine gehörte. In einer kleinen Schachtel, die er in seiner Schreibtischschublade versteckt hielt, verwahrte Garrett ein paar Dinge, von denen er sich nicht trennen konnte - die beiden Valentinskarten, ihren Ehering und noch einiges, das nur für ihn von Bedeutung war. Spät nachts hielt er diese Dinge manchmal in der Hand, und obwohl sein Vater gelegentlich sagte, es scheine ihm besserzugehen, wußte Garrett doch, daß nichts mehr wie früher sein würde.
Garrett Blake war etwas vor dem verabredeten Zeitpunkt zum Yachthafen gegangen, um die Fortuna startklar zu machen.
Als er eben sein Haus verlassen wollte, hatte sein Vater angerufen.
»Möchtest du zum Abendessen kommen?« hatte er gefragt.
Und Garrett hatte geantwortet, er sei heute abend zum Segeln verabredet.
»Mit einer Frau?« hatte sein Vater nach einem kurzen Schweigen wissen wollen.
Und Garrett hatte ihm kurz erzählt, wie er Theresa kennengelernt hatte.
»Dein Rendezvous scheint dich ein bißchen nervös zu machen.«
»Nein, Dad, ich bin nicht nervös. Und es ist auch kein Rendezvous. Wir segeln nur, denn sie hat mir erzählt, sie sei noch nie segeln gewesen.«
»Ist sie hübsch?«
»Was tut das zur Sache?«
»Nichts. Aber es hört sich trotzdem nach einem Rendezvous an.«
»Es ist aber keins.«
»Na, wenn du meinst.«
Kurz nach sieben sah Garrett sie die Mole herunterkommen. Sie trug Shorts, ein ärmelloses T-Shirt, einen kleinen Picknickkorb in der einen und ein Sweatshirt und eine leichte Jacke in der anderen Hand. Nach außen hin wirkte sie gelassen, und nichts an ihrer Miene verriet, was in ihrem Innern vorging. Als sie winkte, überkam ihn ein vertrautes Schuldgefühl, doch er winkte rasch zurück, bevor er sich wieder an den Seilen zu schaffen machte und verzweifelt versuchte, einen klaren Kopf zu behalten.
»Hallo«, rief sie lässig. »Ich hoffe, ich habe Sie nicht zu lang warten lassen.«
Er zog seine Arbeitshandschuhe aus.
»Oh, hallo. Nein, nein, ich warte noch nicht lange. Ich bin nur etwas früher gekommen, um die Fortuna startklar zu machen.«
»Und - sind Sie fertig?«
Er warf einen raschen Blick übers Boot. »Ich denke schon. Kann ich Ihnen behilflich sein?«
Er legte die Handschuhe beiseite, nahm ihr Korb und Jacke ab und legte beides auf eine Sitzbank. Als er ihre Hand ergriff, um ihr an Bord zu helfen, fühlte sie die Schwielen an seinen Fingern.
»Können wir starten?« fragte er.
»Wann immer Sie wollen.«
»Oder möchten Sie vorher noch etwas trinken? Ich habe Cola und Mineralwasser im Kühlschrank.«
Theresa
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