Weit wie das Meer
vorstellen.«
Theresa warf noch einen letzten bewundernden Blick auf das Boot und kehrte dann zu ihm zurück. Sie schwiegen eine Weile, und Garrett fragte sich, ob sie wußte, daß er sie aus den Augenwinkeln beobachtete.
»Nun«, sagte sie schließlich und verschränkte die Arme vor der Brust, »ich habe Ihre kostbare Zeit lang genug in Anspruch genommen.«
»Ist schon okay«, sagte er und spürte wieder den Schweiß auf seiner Stirn. »Ich rede gerne übers Segeln.«
»Das würde ich auch. Ich habe mir das Segeln immer herrlich vorgestellt.«
»Das klingt ja so, als wären Sie noch nie gesegelt.«
Sie zuckte die Achseln. »Stimmt. Ich hätte es immer gern getan, hatte aber nie Gelegenheit dazu.«
Bei diesen Worten sah sie ihn an, und Garrett mußte erneut nach seinem Taschentuch greifen. Verdammt heiß heute morgen. Er trocknete sich die Stirn, und zu seinem eigenen Erstaunen hörte er sich sagen:
»Na ja, wenn Sie mitsegeln wollen - ich drehe meistens nach der Arbeit noch eine Runde. Wenn Sie Lust haben, dann kommen Sie doch heute abend mit.«
Warum er das gesagt hatte, wußte er selbst nicht. Vielleicht war es nach all diesen Jahren der Wunsch nach weiblicher Gesellschaft - wenn auch nur für kurze Zeit. Vielleicht hatte es auch mit dem Leuchten ihrer Augen zu tun, wenn sie sprach. Aber warum auch immer - er hatte sie eingeladen, und daran war jetzt nichts mehr zu ändern.
Auch Theresa war ein wenig überrascht, doch sie nahm sein Angebot sofort an. Schließlich war sie deshalb hergekommen.
»Das wäre wunderbar«, sagte sie. »Wann?«
Er steckte sein Taschentuch wieder weg und fühlte sich etwas unsicher ob seines spontanen Angebots.
»Wie wär’s mit sieben Uhr? Bei Sonnenuntergang ist es besonders schön zu segeln.«
»Sieben Uhr paßt mir gut. Ich bringe was zu essen mit.« Zu Garretts Erstaunen schien sie gleichzeitig zufrieden und aufgeregt.
»Das ist nicht nötig.«
»Ich weiß, doch es ist das mindeste, was ich tun kann. Schließlich hätten Sie mich nicht einladen brauchen. Sind Sandwiches okay? «
Garrett trat einen kleinen Schritt zurück; er brauchte plötzlich etwas Abstand.
»Wissen Sie, ich bin nicht heikel.«
»Also gut«, sagte sie, trat von einem Fuß auf den anderen und wartete, ob er noch etwas sagen würde. Als er schwieg, zog sie den Riemen ihrer Handtasche auf ihrer Schulter zurecht. »Dann bis heute abend. Treffpunkt hier beim Boot?«
»Genau hier«, sagte er und spürte, wie belegt seine Stimme klang. »Ich bin sicher, es wird Ihnen gefallen.«
»Ich auch. Also bis dann.«
Damit ging sie davon. Ihr Haar flatterte im Wind. Da fiel Garrett ein, daß er etwas vergessen hatte.
»Hallo!« rief er hinter ihr her.
Sie drehte sich um und beschattete die Augen mit der Hand.
»Ja?«
Auch aus der Entfernung war sie bezaubernd.
Er kam ein paar Schritte auf sie zu. »Ich habe vergessen, nach Ihrem Namen zu fragen.«
»Ich bin Theresa. Theresa Osborne.«
»Und ich bin Garrett Blake.«
»Also, Garrett, bis um sieben.«
Sprach’s und schritt munter davon. Garrett blickte ihr nach und versuchte, Ordnung in seine widersprüchlichen Gefühle zu bekommen. Einerseits wühlte ihn das eben Geschehene auf, andererseits hatte er den Eindruck, daß irgend etwas an der Sache nicht stimmte.
Aber was?
6. Kapitel
Die Uhr schlug sechsmal, dann das siebtemal, aber für Garrett Blake war die Zeit stehengeblieben, seitdem Catherine vor drei Jahren vom Gehsteig auf die Straße getreten und von einem ins Schleudern geratenen Wagen erfaßt worden war. In den folgenden Wochen war sein Zorn auf den Fahrer so groß gewesen, daß er Rachepläne geschmiedet hatte. Doch er hatte sie nie in die Tat umgesetzt, denn der Kummer hatte ihn völlig apathisch und handlungsunfähig gemacht. Er schlief nachts nicht länger als drei Stunden und brach jedesmal in Tränen aus, wenn er ihre Kleider im Schrank sah. Bei einer Diät aus Kaffee und Crackers nahm er zehn Kilo ab. Zum ersten Mal in seinem Leben begann er zu rauchen, und wenn der Schmerz unerträglich wurde, griff er abends auch schon mal zur Flasche. Sein Vater übernahm vorübergehend seinen Laden, während Garrett schweigend auf seiner Veranda saß und sich ein Leben ohne Catherine auszumalen versuchte. Er glaubte, weder den Willen noch die Energie zum Weiterleben zu haben, und manchmal, wenn er so dasaß, wünschte er, die feuchte, salzige Luft würde ihn verschlingen, damit ihm die Zukunft in Einsamkeit erspart bliebe.
Was es besonders
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