Weit wie das Meer
sie zum Glück mitgenommen hatte.
Direkt hinter dem Boot zischte und wirbelte das Wasser, und sie trat an den Bootsrand, um hinabzublicken. Die schäumenden Wellen hatten etwas Hypnotisierendes. Um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, legte sie eine Hand auf die Reling und spürte eine Unebenheit. Bei genauerem Hinsehen stellte sie fest, daß es eine Inschrift war: 1934 erbaut - 1991 restauriert.
Die Wellen von einem größeren Schiff ließen die Fortuna hin- und herschaukeln. Theresa kehrte zu Garrett zurück, der erneut das Ruder drehte, diesmal rascher. Er schenkte ihr ein kurzes Lächeln, während er aufs offene Meer zusteuerte. Sie beobachtete ihn, bis das Boot die Meerenge passiert hatte.
Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit hatte sie etwas völlig Spontanes getan, etwas, das sie sich noch vor einer Woche nicht einmal in ihren kühnsten Träumen ausgemalt hätte. Und jetzt, da sie’s getan hatte, wußte sie nicht, was sich daraus entwickeln würde. Was, wenn sich zeigte, daß Garrett ganz anders war, als sie sich ihn vorgestellt hatte? Dann würde sie ihre Antwort haben und nach Boston zurückkehren… Doch sie hoffte, sie würde nicht sofort aufbrechen. Zuviel war bereits geschehen…
Sobald die Fortuna genügend Abstand zu den übrigen Booten hatte, bat Garrett Theresa, das Ruder zu übernehmen. »Sie müssen es einfach nur gerade halten«, sagte er. Und wieder paßte er die Segel an, diesmal schneller als beim letzten Mal. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß das Boot gut im Wind stand, machte er eine kleine Schlaufe in die Klüverleine und legte sie um das Spill am Ruder, wobei er zwei bis drei Zentimeter Spielraum ließ.
»Okay, das müßte gehen«, sagte er und klopfte auf das Ruder, um zu prüfen, ob es in Position blieb. »Wir können uns setzen, wenn Sie wollen.«
»Müssen Sie das Ruder nicht halten?«
»Dafür ist die Schlaufe da. Manchmal, wenn der Wind wirklich wechselhaft ist, darf man das Ruder nicht aus der Hand geben. Aber heute abend haben wir Glück mit dem Wetter. Wir könnten stundenlang in diese Richtung segeln.«
Garrett führte sie zu der Bank zurück, auf der sie zuerst gesessen hatte. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß sich ihre Kleider nirgends verhaken konnten, ließen sie sich in der Ecke nieder - sie seitlich, er mit dem Rücken zum Heck. Als sie den Wind auf ihrem Gesicht spürte, strich Theresa ihr Haar zurück und blickte über das Wasser.
Garrett betrachtete sie von der Seite. Sie war kleiner als er - schätzungsweise ein Meter siebzig -, hatte ein hübsches Gesicht und eine Figur, die ihn an die Models aus Modemagazinen erinnerte. Doch obwohl er sie sehr attraktiv fand, war da noch etwas ganz anderes, das ihm angenehm aufgefallen war. Sie war intelligent, das hatte er gleich gespürt, dazu selbstbewußt, als wäre sie in der Lage, eigenständig ihr Leben zu meistern. Und diese Dinge waren für ihn von größter Wichtigkeit. Ohne sie bedeutete Schönheit nichts.
Und wie er sie so beobachtete, fühlte er sich in gewisser Weise an Catherine erinnert. Es war vor allem ihr Gesichtsausdruck. Sie sah aus, als träumte sie mit offenen Augen, während sie aufs Meer blickte, und seine Gedanken wanderten zurück zu ihrem letzten gemeinsamen Segeltörn. Wieder fühlte er sich schuldig, obwohl er ernsthaft bemüht war, gegen das Gefühl anzukämpfen. Er schüttelte den Kopf, lockerte geistesabwesend sein Uhrband und zog es dann wieder fester in die anfängliche Position.
»Es ist wirklich herrlich hier draußen«, sagte sie schließlich und wandte ihm wieder das Gesicht zu. »Danke fürs Mitnehmen.«
Er war froh, daß sie das Schweigen brach.
»Gern geschehen«, sagte er. »Es ist angenehm, von Zeit zu Zeit in netter Gesellschaft zu segeln.«
Sie fragte sich, ob seine Antwort ernst gemeint war. »Segeln Sie gewöhnlich allein?«
Er lehnte sich zurück und streckte die Beine aus.
»Meist schon. So kann ich nach der Arbeit am besten ausspannen. Egal, wie stressig der Tag war - wenn ich erst mal draußen bin, scheint der Wind alles davonzuwehen.«
»Ist das Tauchen so anstrengend?«
»Das Tauchen nicht. Das ist der vergnügliche Teil. Aber so ziemlich alles andere - der Papierkram, das Verhandeln mit den Leuten, die ihre Stunden im letzten Augenblick absagen, die Bestellungen für den Laden, ganz zu schweigen von der Buchhaltung. Das nimmt einen ganz schön in Anspruch.«
»Sicher. Aber es gefällt Ihnen doch, oder?«
»Gewiß. Und ich möchte mit niemandem
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