Weit wie das Meer
geheiratet?«
»Nein«, sagte er mit einem Kopfschütteln. »Ich glaube, es gab Zeiten, da er es sich gewünscht hätte, aber er hat sich nicht dazu durchringen können.«
Daher kommt es also, dachte sie bei sich. Wie der Vater, so der Sohn.
»Lebt er noch hier?« fragte sie.
»Ja. Ich sehe ihn relativ häufig. Wir treffen uns mindestens einmal die Woche. Er versucht mich zur Vernunft zu bringen.«
Sie lächelte. »Wie die meisten Eltern.«
Bald darauf wurde das Essen serviert, und sie setzten ihr Gespräch fort. Jetzt war es Garrett, der mehr erzählte - wie er hier in North Carolina aufgewachsen war und warum er niemals wegziehen würde, wenn er die Wahl hätte. Er erzählte ihr auch von Abenteuern, die er beim Segeln und Tauchen erlebt hatte. Sie lauschte fasziniert. Verglichen mit den Geschichten, die sie von Männern in Boston zu hören bekam - und die sich meist um berufliche Leistungen drehten -, war dies hier völlig neu für sie. Er sprach von den unzähligen Meerestieren, denen er bei seinen Tauchgängen begegnet war, und erzählte, wie er auf einer Segeltour in ein Unwetter geraten war und beinahe gekentert wäre. Einmal war er sogar von einem Hammerhai gejagt worden und hatte in dem Wrack, nach dem er getaucht war, Deckung nehmen müssen. »Mir wäre beinahe die Luft ausgegangen, so lange mußte ich warten, bis ich wieder aufsteigen konnte«, sagte er und schüttelte bei der Erinnerung den Kopf.
Theresa beobachtete ihn, während er sprach, und freute sich, daß er im Vergleich zu gestern abend richtig aufgetaut war und nicht mehr jedes Wort abwog, bevor er es aussprach. Sie fand die Veränderung aufregend und reizvoll.
Sie beendeten ihr Mittagessen - er hatte recht, der Fisch war köstlich - und tranken ein zweites Bier, während die Deckenventilatoren über ihren Köpfen surrten. Trotz der zunehmenden Hitze war das Lokal noch immer bis auf den letzten Platz besetzt. Als die Rechnung kam, legte Garrett das Geld auf den Tisch.
»Gehen wir?«
»Wann immer Sie wollen. Und übrigens, danke für das Essen. Es war großartig.«
Als sie aufbrachen, rechnete sie damit, daß Garrett sofort in seinen Laden zurückfahren würde, und war überrascht, als er etwas anderes vorschlug.
»Wie wär’s mit einem Strandspaziergang? Es ist meist etwas frischer direkt am Wasser.«
Theresa willigte ein und ließ sich von Garrett die Hafenmauer entlang zum Strand führen, der von Familien mit Kindern bevölkert war. Am Wasser angelangt, zogen beide ihre Schuhe aus.
Sie schwiegen eine Weile und sahen dem bunten Treiben zu, während sie Seite an Seite dahinschlenderten.
»Sind Sie oft am Strand gewesen, seitdem Sie hier sind?« fragte Garrett schließlich.
Theresa schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bin ja erst vorgestern abend hier angekommen. Dies ist das erste Mal.«
»Wie gefällt es Ihnen?«
»Ich find’s wunderschön.«
»Ist es ähnlich wie an den Stränden im Norden?«
»Stellenweise schon. Aber das Wasser ist hier natürlich viel wärmer. Sind Sie niemals im Norden am Strand gewesen?«
»Ich bin noch kein einziges Mal aus North Carolina herausgekommen, wenn Sie’s genau wissen wollen.«
Sie lächelte. »Dann sind Sie ja ein richtiger Globetrotter, was?«
Er lachte leise. »Nein, aber ich habe nicht das Gefühl, daß mir etwas entgeht. Mir gefällt es hier, und ich kann mir keinen schöneren Ort vorstellen. Ich will nirgendwo anders sein.« Er warf ihr einen Blick von der Seite zu und wechselte das Thema. »Wie lange wollen Sie denn in Wilmington bleiben?«
»Bis Sonntag. Montag fängt meine Arbeit wieder an.«
Noch fünf Tage, dachte er bei sich.
»Kennen Sie niemanden sonst in der Stadt?«
»Nein, ich bin ganz allein hier.«
»Warum?«
»Ich wollte mich einfach mal umsehen. Ich hab viel Gutes über die Gegend gehört und wollte mir selbst einen Eindruck machen.«
Ihre Antwort machte ihn stutzig. »Reisen Sie oft allein?«
»Um ehrlich zu sein - das ist das erste Mal.«
Eine Joggerin kam ihnen entgegen, begleitet von einem schwarzen Labrador. Der Hund schien erschöpft von der Hitze, doch die junge Frau legte noch an Tempo zu. Als sie auf ihrer Höhe angelangt war, öffnete Garrett den Mund, doch dann verkniff er sich seinen Kommentar, weil er fand, daß es ihn nichts anging.
»Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen, Theresa?«
»Das hängt von der Frage ab.«
Er blieb stehen, bückte sich nach einer Muschel, betrachtete sie von allen Seiten und reichte sie Theresa. »Gibt
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