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ihnen in Übersetzungen in andere Länder. Was also genau ist ein Roman, und warum tauchte das Genre auf, als es auftauchte?
Die überzeugendste Erklärung bleibt die politisch-ökonomische, die Ian Watt vor fünfzig Jahren vorgebracht hat. Die Geburtsstätte des Romans in seiner modernen Form ist nämlich zufällig Europas ökonomisch führende und höchstentwickelte Nation, und Watts Analyse dieser Koinzidenz ist schonungslos, aber beeindruckend. Er verbindet die Verherrlichung des tätigen Individuums, die Entwicklung eines gebildeten Bürgertums, das begierig war, von sich selbst zu lesen, die zunehmende soziale Mobilität (die Schriftsteller dazu veranlasste, die damit einhergehenden Ängste zu verwerten), die Spezialisierung von Arbeit (die eine Gesellschaft interessanter Unterschiede schuf), den Zerfall der alten sozialen Ordnung hin zu einem Sammelbecken individuell Isolierter und, natürlich, die dramatische Zunahme von freier Zeit zum Lesen. Gleichzeitig wurde England rapide säkularer. Die protestantische Theologie hatte die Grundlagen für die neue Wirtschaft gelegt, indem sie die soziale Ordnung als Ansammlung eigenverantwortlicher Individuen mit direkter Beziehung zu Gott neu entwarf; ab 1700 jedoch, als die britische Wirtschaft florierte, war es immer weniger gewiss, ob diese Individuen Gott überhaupt brauchten. Es stimmt, dass, wie jeder ungeduldige kindliche Leser bestätigen kann, viele Seiten von Robinson Crusoe der spirituellen Reise seines Helden gewidmet sind. Auf der Insel findet Robinson Gott, und in Momenten der Krise wendet er sich wiederholt an ihn, betet um Errettung und dankt ihm ekstatisch für die Bereitstellung des dazu Nötigen. Und doch, kaum ist die Krise überstanden, kehrt er jedes Mal zu seinem praktischen Selbst zurück und denkt nicht mehr an Gott; am Ende des Buchs scheinen es eher sein Fleiß und seine Findigkeit gewesen zu sein, die ihn gerettet haben, als die Vorsehung. Die Geschichte von Robinsons Schwanken und seiner Vergesslichkeit zu lesen heißt, nachzuvollziehen, wie sich das Genre der spirituellen Autobiographie auflöst und in realistische Literatur übergeht.
Der interessanteste Aspekt bei der Frage nach dem Ursprung des Romans könnte die Evolution der Lösungen sein, die die englische Kultur für das Problem der Plausibilität gefunden hat: Sollte man eine seltsame Geschichte für wahr halten, weil sie seltsam war, oder sollte ihre Seltsamkeit als Beweis dafür genommen werden, dass sie nicht stimmte? Die Aufregungen um die Frage sind uns noch vertraut (man denke an den Skandal um James Freys sogenannte Erinnerungen), und bestimmt waren sie auch 1719 im Spiel, als Defoe den ersten und bekanntesten Band des Robinson Crusoe veröffentlichte. Der wahre Name des Autors tauchte darin nirgends auf. Das Buch wurde stattdessen als Das Leben und die seltsamen Abenteuer des Robinson Crusoe … Geschrieben von ihm selbst bezeichnet, und viele seiner ersten Leser hielten es für eine nicht ausgedachte Geschichte. Genug andere Leser jedoch bezweifelten ihre Authentizität, sodass sich Defoe, als er im Jahr darauf den dritten und letzten Band veröffentlichte, genötigt sah, ihre Wahrhaftigkeit zu verteidigen. Er bestand darauf, dass im Gegensatz zu den Romanzen, in denen «die Geschichte vorgetäuscht» sei, seine Geschichte, «obschon allegorisch, auch historisch ist», und bestätigte, dass «da ein Mann am Leben ist, und wohlbekannt zudem, dessen Taten billigerweise der Stoff dieser Bände sind». Angesichts dessen, was wir über Defoes wirkliches Leben wissen – wie Crusoe geriet er durch riskante Geschäfte wie die Aufzucht von Zibetkatzen zur Parfümherstellung in Schwierigkeiten, gründliche Erfahrungen mit der Einsamkeit hatte er im Schuldgefängnis gesammelt, in das ihn der Bankrott zweimal brachte –, und auch angesichts seiner Versicherung andernorts im selben Band, dass «das Leben im Allgemeinen nur ein universaler Akt der Einsamkeit ist oder sein sollte», scheint der Schluss, dass der «wohlbekannte» Mann Defoe selber ist, gerechtfertigt. (Bemerkenswerterweise enden beider Namen auf «oe».) Heute begreifen wir den Roman als Abbild eines Wachtraums des Autors, und in Defoes versuchsweiser Behauptung einer weniger als strikt historischen Wahrheit lässt sich eine entscheidende Wendung hin zu diesem Verständnis erkennen – der «Wahrheit» des Romanciers. In ihrem Essay «The Rise of Fictionality» beschreibt die Literaturwissenschaftlerin Catherine
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