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Weiter weg

Weiter weg

Titel: Weiter weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Franzen
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ihre Liebe und Solidarität beweist: Siehst du, ich bin wie du, ich habe eine Sprache gefunden, die deiner ebenbürtig, ja überlegen ist – worin freilich auch der glühende Hass der Rivalin zum Ausdruck kommt. Als Louie ihrem Vater sagt, sie habe noch nie jemandem erzählt, wie es bei ihnen zu Hause zugehe, erklärt sie das mit den Worten: «Keiner würde mir glauben!» Doch die erwachsene Christina Stead hat einen Weg gefunden, es so zu beschreiben, dass ihre Leser ihr durchaus glauben. Die mündige Schriftstellerin spiegelt all das, was ihr Vater und Sam Pollit am wenigsten gern gespiegelt sehen wollten; und als der Roman herauskam, schickte sie zwar ein Exemplar nach Australien, aber nicht an die Adresse von David Stead, sondern von Thistle Harris. Die Widmung lautete: «Für die liebe Thistle. Ein Strindberg’scher Robinson. In mancher Hinsicht ein persönlicher Brief an Thistle von Christina Stead.» Ob David selbst das Buch je gelesen hat, ist nicht bekannt.

    (Übersetzt von Bettina Abarbanell)

[zur Inhaltsübersicht]
    Hornissen
    Anfang der neunziger Jahre, als ich praktisch völlig mittellos war, lieh ich mir ein paarmal anderer Leute Häuser. Das erste, in dem ich einhütete, gehörte einem Professor meiner Alma Mater. Er und seine Frau fürchteten, ihr Sohn, der am College studierte, werde in ihrer Abwesenheit Partys schmeißen, und so drängten sie mich, das Haus als mein eigenes und ausschließliches Zuhause zu betrachten. Schon das bedeutete eine gewisse Anstrengung, da es nun einmal in der Natur eines geliehenen Hauses liegt, dass in seinen Schränken anderer Leute Bademäntel hängen, dass sein Kühlschrank mit anderer Leute Zutaten vollgestellt, sein Duschabfluss mit anderer Leute Haaren verstopft ist. Und als unweigerlich der Sohn im Haus auftauchte und barfuß herumlief und dann Freunde einlud und bis in die Puppen feierte, war ich krank vor Ohnmacht und Neid. Ich dürfte wie ein wahrhaft abstoßendes Gespenst in stummer Anklage ausgesehen haben, denn eines Morgens in der Küche, ohne dass ich ein Wort gesagt hätte, blickte der Sohn von seiner Schale kalter Cornflakes auf und stieß mir brutal Bescheid: «Das ist mein Zuhause, Jonathan.»
    Einige Sommer später, ich hatte nun weniger als überhaupt kein Geld mehr, lieh ich mir das große, stuckverzierte Haus zweier älterer Freunde, Ken und Joan, in Media, Pennsylvania. Eingewiesen wurde ich eines Abends bei Martinis, die, wie Ken sanft schalt, von Joan mit schmelzendem Eis «verdorben» worden seien. Ich saß mit den beiden auf ihrer bemoosten hinteren Terrasse, während sie mit irgendwie abgeklärter Resignation die Probleme in ihrem Haus aufzählten. Die Schaummatratze im großen Schlafzimmer sei bröckelig und voller Krater, ihre schönen Teppiche würden von einer anscheinend nicht aufzuhaltenden Mottenplage zu Staub zerfressen. Ken machte sich einen zweiten Martini, und dann, den Blick auf die Stelle gerichtet, wo bei Gewitter Wasser durchkam, fasste er in einem Selbst-Plädoyer ihr Leben auf eine Weise zusammen, die mir einen unerwarteten Einblick gewährte, wie ich glücklicher leben könnte, eine Vision potenzieller Befreiung von dem bedrückenden Gefühl finanzieller Verantwortung, das mir meine Eltern hinterlassen hatten. Das Martiniglas locker in der Hand, sinnierte Ken vor sich hin: «Wir haben einfach immer … immer über unsere Verhältnisse gelebt.»
    Das Einzige, was ich zu tun hatte, um mir mein Logis zu verdienen, war, Kens und Joans weitläufigen Rasen zu mähen. Rasenmähen war mir schon immer als die verzweiflungswürdigste aller menschlichen Tätigkeiten erschienen, also folgte ich erst einmal Kens Beispiel, lebte über meine Verhältnisse und schob das Mähen hinaus, bis das Gras so lang war, dass ich dann alle fünf Minuten anhalten und den Grasbeutel leeren musste. Das zweite Mähen schob ich noch weiter hinaus. Als ich es dann endlich angehen wollte, war der Rasen von einem großen Clan Hornissen in Besitz genommen worden, die dort schon ihre Höhlen gegraben hatten. Ihr Körper war so groß wie zwei A-Batterien, und sie verteidigten ihren Besitz noch aggressiver als der Sohn in meinem ersten geliehenen Haus. Ich rief Ken und Joan in ihrem Sommersitz in Vermont an, und Ken sagte, ich müsse die Erdnester der Hornissenbaue eines nach dem anderen abgehen, und zwar nach Einbruch der Dunkelheit, wenn die Bewohner schliefen, und Benzin hineingießen und in Brand setzen.
    Ich hatte gute Gründe, mich vor Benzin zu

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