Weiter weg
ist, die nicht mit einem funktionsüberladenen Moloch arbeiten wollen. WordPerfect 5.0 war für Desktop-Publishing hoffnungslos primitiv, für Schreibende aber, die damit nur schreiben wollten, unübertroffen. Elegant, störungsfrei, von der Größe her zu vernachlässigen, wurde es von dem fettleibigen, aufdringlichen, monopolistischen, ständig abstürzenden Word verdrängt. Hätte ich in meinem Büroschrank nicht alte 386er und 486er PCs gesammelt, könnte ich jetzt gar nicht mehr mit WordPerfect schreiben. Inzwischen bin ich schon bei meinem letzten Reservecomputer angelangt! Und doch sind manche so dreist, mir zu verübeln, dass ich ihnen meine Texte nicht in einem für das allmächtige Word lesbaren Format schicke. Wir leben jetzt halt in einer Word-Welt, Opa. Wirst drüber wegkommen, entspann dich.
Doch das alles ist ja bloß lästig. Die technische Entwicklung aber, die dauerhaften Schaden von wirklich gesellschaftlicher Bedeutung angerichtet hat – und über die man nicht klagen kann, ohne sich der Lächerlichkeit preiszugeben, obwohl der Schaden andauert –, ist das Handy.
Noch vor zehn Jahren war New York (wo ich lebe) reich an gemeinschaftlich erhaltenen öffentlichen Orten, an denen die Bürger der Gemeinschaft Respekt bezeigten, indem sie ihr banales Schlafzimmerleben für sich behielten. Vor zehn Jahren hatte das Gequassel die Welt noch nicht vollständig erobert. Es war noch möglich, den Gebrauch eines Nokia als Protzerei oder Affektiertheit Wohlhabender zu sehen. Oder, wohlwollender, als ein Gebrechen, eine Behinderung oder Krücke. Schließlich kam es dann Ende der neunziger Jahre in ganz New York zu einem nahtlosen Übergang von der Nikotin- zur Handykultur. Steckte am einen Tag noch eine Schachtel Marlboro in der Hemdtasche, war es am nächsten ein Motorola. Hielt die schutzlose, weil unbegleitete hübsche Frau am einen Tag noch Hände, Mund und Aufmerksamkeit mit einer Zigarette beschäftigt, führte sie am folgenden ein sehr wichtiges Gespräch mit einer Person, die nicht man selbst war. Scharten sich auf dem Spielplatz am einen Tag noch alle um den ersten Jungen mit einer Schachtel Lucky Strike, umlagerten sie am folgenden den ersten mit einem Farbdisplay. Zückten die Reisenden am einen Tag noch ihr Feuerzeug, sobald sie dem Flugzeug entstiegen waren, drückten sie am nächsten die Kurzwahltasten. Aus der Eine-Schachtel-am-Tag-Sucht wurden Mobilfunk-Rechnungen von hundert Dollar im Monat. Aus Rauchverschmutzung wurde Lärmverschmutzung. Das Ärgernis selbst veränderte sich über Nacht, doch das Leiden der selbstbeherrschten Mehrheit unter einer zwanghaften Minderheit blieb in Restaurants, Flughäfen und anderen öffentlichen Räumen auf unheimliche Weise konstant. Im Jahr 1998, ich hatte kurz zuvor das Rauchen aufgegeben, beobachtete ich in der U-Bahn Mitreisende, die nervös ihr Handy auf- und zuklappten oder an der zitzengleichen Antenne knabberten, die damals alle Handys hatten, oder ihr Gerät einfach still wie eine Mutterhand umfassten, und dann empfand ich fast so etwas wie Mitleid mit ihnen. Damals war für mich die Frage noch offen, wie weit der Trend gehen würde: ob New York wirklich zu einer Stadt aus Telefonjunkies werden wollte, die in abstoßenden kleinen Wolken aus Privatleben auf dem Gehweg schlafwandelten, oder ob die Vorstellung eines zurückhaltenderen öffentlichen Ichs sich doch irgendwie behaupten konnte.
Selbstredend fand ein Kampf nicht statt. Das Mobiltelefon war keine jener modernen Entwicklungen wie Ritalin oder übergroße Regenschirme, gegen die sich nennenswerte Nischen zivilen Widerstands ermutigend halten. Sein Triumph kam rasch und war total. Seine Missbräuche wurden in Essays, Kolumnen und allen möglichen Leserbriefen beklagt und bemeckert und, als die Missbräuche nur noch schlimmer zu werden schienen, noch bissiger beklagt und bemeckert, aber das war’s dann auch. Die Klagen waren registriert, es folgten ein paar kleine symbolische Anpassungen (der «ruhige Wagen» in Amtrak-Zügen, diskrete Schildchen in Restaurants und Fitnesscentern, die eindringlich um Zurückhaltung flehten), aber danach stand es der Mobiltechnologie frei, ihr Zerstörungswerk ohne Furcht vor weiterer Kritik fortzuführen, weil weitere Kritik ungeil und uncool gewesen wäre. Opa.
Aber nur weil uns das Problem jetzt vertraut ist, heißt das noch lange nicht, dass Autofahrer, die hinter einem Kerl festhängen, der auf der Überholspur in sein Handy plappert und dabei genau
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