Weiter weg
Caribou gerade zwei Monate zuvor Wasservögel gesichtet hatte, hielten wir neben einem sehr gut aussehenden Mann auf einem Motorrad, der uns unerbittlich anlächelte, während Caribou befand, dass das Gelände für Fischfarmen planiert und nun von Vögeln entvölkert war. Wir beendeten den Tag damit, nahe dem Touristenzentrum des Reservats zwischen Bäumen und Buschwerk umherzustreifen. Dort gab es auf einer Straßenseite kostenlos einen einsamen Straußen zu sehen, und auf der anderen konnte man für vier Dollar ein paar zahme Mandschurenkraniche betrachten, die teilnahmslos in einem Gatter mit gelbem Gras und schmutzigem Wasser standen, und einen Turm ersteigen, von dem aus der Kernbereich des Reservats in der Ferne zu sehen war.
«Das ist kein Feuchtgebiet hier, das ist ein Ödland», kommentierte Caribou verbittert das Besucherzentrum. «Das Problem mit den Naturreservaten in China ist, dass die Einheimischen sie nicht unterstützen. Die Leute, die in ihrer Nähe leben, denken: Wegen der Schutzgebiete können wir nicht reicher werden, können keine Fabriken bauen, keine Kraftwerke bauen. Die wissen nicht, was ein Reservat oder ein Feuchtgebiet ist. Yancheng sollte einen Teil des Kernbereichs der Öffentlichkeit zugänglich machen, um ein Interesse dafür zu wecken. Damit sie den Mandschurenkranich kennenlernen. Dann können die Leute das hier auch unterstützen.»
Das Bußgeld fürs Betreten des Kernbereichs beträgt nominell vierzig Dollar, es kann aber, je nach Laune des Polizisten, bis auf siebenhundert steigen. Theoretisch ist der Kernbereich geschlossen, um die Störung seltener Zugvögel durch Menschen zu minimieren, würde man es aber an einem Vormittag Ende Februar trotzdem betreten, dann träfe man auf lange, laute Konvois blauer Laster, die auf Feldwegen kreuz und quer durch Staubwolken und Dieselschwaden rumpeln. Die Laster fahren leer hinein und haushoch und straßenbreit mit abgeerntetem Schilf beladen wieder hinaus. Es wäre ein Leichtes, bedrohte Arten wie den Jangtsepapageischnabel zu finden, weil ihre Populationen auf schmale Streifen Vegetation inmitten riesiger Schlickwattflächen – viele Quadratkilometer weit bis zum Horizont – vertrieben wurden, die bis auf den Boden gerodet sind. Mit etwas Glück könnte man auch einen der weltweit noch rund zweitausend Exemplare zählenden Schwarzstirnlöffler sehen, der in seichtem Wasser neben gefährdeten Schwarzschnabelstörchen und gefährdeten Kranichen Nahrung sucht, während auf einer Landzunge unmittelbar hinter ihnen Arbeiter Schilfbündel auf einen Laster werfen.
Einem Verwalter des Reservats zufolge gestatten die örtlichen Bestimmungen, Schilf vor und nach dem Durchzug von Zugvögeln zu schneiden. Als das Reservat Mitte der achtziger Jahre eingerichtet wurde, hatte ihm die Zentralregierung nicht genügend Mittel zur Verfügung gestellt, sodass die Bauern fürs Schilfschneiden eine Gebühr entrichten mussten; heute wird das Schneiden als Brandschutzmaßnahme ausgegeben. «Globale NGOs möchten, dass China seinen Naturschutz wie der Westen organisiert, aber sie wollen nicht, dass auch jeder Chinese ein Auto fährt», sagte mir der Leiter eines anderen Küstenreservats. «Deshalb müssen wir die Dinge auf die chinesische Art regeln.» Es leuchtete mir nicht ein, dass für die Mandschurenkraniche des Yancheng Feuer ein größeres Risiko darstellen sollte als die Rodung des Kernbereichs zweimal im Jahr, aber ich wusste, dass in China noch vieles unter der Parole der achtziger Jahre, «Erschließung vor Umweltschutz», läuft. Ich fragte Caribou, ob es, da Chinas Wirtschaft ja weiterhin wachse, für die Vögel einfach immer nur schlimmer werde.
«Ganz eindeutig», sagte Caribou. Er führte einige Arten auf – Baikalente, Schuppensäger, Baerente, Schwarzhalsibis, Schwefelammer, Mönchskranich –, die in Ostchina brüteten oder überwinterten und im Verschwinden begriffen seien. «Noch vor zehn Jahren konnte man sie in viel größerer Zahl sehen», sagte er. «Das Problem ist nicht bloß Wilderei. Das größte Problem ist der Verlust des Lebensraums.»
«Das ist ein Trend, daran können wir nichts ändern», sagte Stinky.
Ein Stück hinter dem Besucherzentrum an der Straße, es war fast dunkel, rief Shadow, er habe vier Krickenten und eine Schnepfe entdeckt.
Stinky suchte offiziell nach einer Arbeit im Bereich Marketing oder PR, aber sie wollte eine Stelle, bei der sie keine Überstunden machen musste, und in China wurden heutzutage bei
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