Weiter weg
auf einer alten, langsamen Fähre. Das Wasser hatte die Farbe nassen Zements. Als wir uns dem Ufer näherten, drückten sich Hunderte Passagiere gegen die Spanten der Fähre, quetschten sich durch schmale Türen auf eine enge Plattform und eine steile, schmale Eisentreppe hinab. Obwohl mir das Tempo des Landes gefiel – die Chinesen verlassen ein Düsenflugzeug wunderbar schnell, und chinesische Aufzugtüren springen nur so auf –, wurde ich doch ungern so dicht auf leiterartige Treppen zu gedrängt. Ich war von New York her Menschenmengen gewohnt, aber nicht solche. Ein Unterschied war auch das Tempo, in dem der kleinste Vorteil, das leiseste Zögern ausgenutzt wurde. Noch verblüffender aber war, mit welcher Scheuklappen-Neigung des Kopfes die Frauen (es waren überwiegend Frauen) um mich herum schubsten und stießen. Mit so einer Neigung überblickte man auf dem Boden genau einen Schritt, und sie bewirkte bei mir nicht, dass ich mich herausgefordert oder abgelehnt fühlte (so, wie es meinen Blutdruck in der Lexington-Avenue-Linie erhöhte), sondern dass es mich irgendwie leblos machte. Ich war nichts weiter als ein dunkel erspürtes Hindernis.
Ich fragte Max und Yifei nach der scheinbaren Gleichgültigkeit, die die meisten Chinesen der Umweltkrise, besonders der Tierwelt entgegenbrachten.
«Hier gibt es eine lange Tradition, in ‹Harmonie mit der Natur› zu leben», sagte Max. «Diese Ideen haben Tausende von Jahren überdauert, und sie können sich nicht einfach verflüchtigt haben. Sie sind nur in dieser Generation vorübergehend verlorengegangen. Unter Mao wurden alle möglichen traditionellen Werte zerstört. Und heute denken die Leute nur: Ich will schnell reich werden. Je reicher man wird, desto mehr wird man respektiert. Und die Ersten, die wirklich reich wurden, in den neunziger Jahren, das waren die Kantonesen. Dann kopierten die Leute in anderen Provinzen den Lebensstil der Kantonesen, zu dem unter anderem gehört, dass man viele Meeresfrüchte isst, um zu zeigen, wie reich man ist.»
«Wir haben nicht genügend Forscher, die untersuchen, was da umweltmäßig passiert», sagte Yifei. «Und die Forscher, die wir haben, machen den Mund nicht auf. In den Büros, sogar in der Akademie der Wissenschaften, überlegt jeder nur, was er sagen kann, damit es dem Boss gefällt. Statt echter Informationen gibt es jede Menge falsche – Sätze wie ‹China hat eine Fülle von Naturressourcen›. Die allgemeine Entwicklung des Landes ist gut – hin zu größerer geistiger Freiheit –, aber sie ist doch noch immer sehr beschränkt. Letztendlich interessiert sich jeder nur dafür, was er für sich selbst herausholen kann. Das Ziel ist persönliches Überleben.»
In Ningbo hatte ich darum gebeten, eine Golfschlägerfabrik zu besichtigen, und der unermüdliche David Xu mit seinem schönen Lächeln hatte mir meinen Wunsch erfüllt. Bis zu dem Augenblick, in dem wir in der Fabrik eintrafen, telefonierte er mit dem Firmenchef und versicherte ihm, ich sei wirklich Schriftsteller und er, Xu, arbeite tatsächlich im Außenministerium. Im Vorjahr hatte ein Konkurrent der Firma als Journalisten getarnte Spione in die Fabrik geschickt.
Moderne Golfschläger mögen ultra-hightech aussehen, aber ihre Herstellung ist unumgehbar arbeitsintensiv. Die Fabrik in Ningbo beschäftigt rund fünfhundert Arbeiter, die meisten aus Zentral- und Westchina. Sie leben im Fabrikwohnheim, sie essen in der Fabrikcafeteria, und Lawyrance Luo zufolge, dem jungen Vertriebsleiter der Firma, verstehen sie von den Gegenständen, die sie herstellen, im Großen und Ganzen nicht viel. Luo sagte, er selbst spiele nur wenige Male im Jahr Golf, wenn die Firma neue Produkte testen müsse. Die meisten in der Fabrik hergestellten Schläger gehen im Set und mit voluminöser Tasche an große Einzelhandelsgeschäfte in Amerika. Der nackte Beton und die einfache Beleuchtung mochten ein Jahr oder fünfzig Jahre alt gewesen sein. Ebenso die fettgeschwärzten Maschinen, von Arbeitern bedient, die Rohstahlröhren verjüngten und in den dabei entstehenden Schaft saubere Crimpringe pressten. Arbeiterinnen bestrichen Graphitverbundstreifen mit Klebstoff, die sodann auf die Schäfte gerollt und mittels Heißklebeverfahren aufgetragen wurden. Eine mächtige Maschine stampfte Blechstahl zu hohlen Schlägerköpfen; an einer anderen legten Männer zu beiden Seiten mit Pinzetten Schlagflächen hinein, die Maschine presste horizontale Rillen auf, dann holten die
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