Weiter weg
erreichten, mussten wir uns noch ansehen, wie Karosserieteile von Geländefahrzeugen lackiert, Motorradräder gefräst und in der blühenden Stadt Cixi «Baumwoll»-Fasern aus Acryl extrudiert und genial verarbeitet wurden; in dieser Stadt, wo sich der Export im Vorjahr auf vier Milliarden Dollar belief, gibt es zwanzigtausend Privatfirmen und nur ein staatliches Unternehmen, und so viele Einheimische besitzen oder leiten Fabriken, dass die Zahl der Wanderarbeiter, die die niederen Arbeiten verrichten müssen, fast jener der ansässigen Bevölkerung entspricht. Ich hatte viel über Wanderarbeiter gelesen, und ich wusste, dass sehr viele von ihnen noch keine zwanzig waren, trotzdem war ich nicht darauf gefasst, wie jung sie wirkten. In der Acrylfaserfabrik hätten die vier Arbeiter, die das Kommandozentrum bedienten, auch aus einem Klassenzimmer der Zehnten stammen können. Sie saßen da und starrten auf Flachbildschirme, auf denen Flussdiagramme und Streaming-Daten flirrten, zwei Jungen und zwei Mädchen in Jeans und Turnschuhen, die nicht viel mehr kommunizierten als den Wunsch, in Ruhe gelassen zu werden.
Die Sonne ging schon unter, als wir die Brücke über die Hangzhou-Bucht erreichten. Der Großteil ihrer Gesamtkosten (rund 1,7 Milliarden Dollar) wurde von der Stadt Ningbo bestritten, die ein riesiges neues Industriegebiet unmittelbar im Osten erschloss. Die Brücke wird die Fahrtzeit zwischen Shanghai und Ningbo halbieren; nach ihrer offiziellen Eröffnung im Mai [2008] wird das olympische Feuer auf ihr hinübergetragen, Richtung Peking, zur grünen Olympiade. Das einzige Tier- oder Pflanzenleben, das ich auf unserer Hin- und Rückfahrt entdeckte, war ein Möwenpaar, das schnell davonflog. Alle fünf Kilometer wechselte die Farbe des Geländers, zur Bekämpfung der Monotonie. Auf der Mitte der Brücke stieg ich aus und betrachtete die aufgewühlte graue Tide, die gegen Betonpfeiler brandete, auf denen ein Restaurant und ein Hotel gebaut wurden. Ich bekam große Sehnsucht danach, weitere Vögel zu sehen, egal welche.
Laut meinem Visumantrag war der Zweck meiner Reise nach Ningbo die Erkundung der chinesischen Warenproduktion für den amerikanischen Export, aber ich hatte Xu wohlweislich auch mein großes Interesse an Vögeln mitgeteilt. Um mir eine Freude zu machen und den Tag abzurunden, dirigierte er nun unseren Fahrer von der Brücke nach Westen in ein Gelände aus Schilfbeeten und Teichen, das die Stadtverwaltung von Cixi als Naturfläche bewahrt hatte. Ein Großteil des Gebiets war kürzlich niedergebrannt worden, und alles sei, so Xu, für die Umwandlung in einen «Feuchtgebietpark» vorgesehen.
Einer dieser Feuchtgebietparks war mir schon Anfang der Woche in Shanghai begegnet. Ich mühte mich nach Kräften, begeistert zu klingen.
«Normalerweise sieht man hier Mandschurenkraniche», versicherte Xu mir auf dem Vordersitz. «Die Regierung pflanzt Bäume an, um den Vögeln Schutz vor den Elementen zu bieten.»
Ich hatte das Gefühl, dass er ein wenig improvisierte, aber ich war ihm dankbar dafür. Wir fuhren an Wattgebieten von derartiger Ödnis vorbei, dass man meinen konnte, sie stammten noch aus der Zeit vor der Entstehung mehrzelligen Lebens. Wir überquerten einen breiten Kanal, auf dem ich vier Enten oder Haubentaucher zu sehen glaubte, aber es waren nur Plastikflaschen. Wir kamen an einer «Öko-Farm» vorbei, die aus Fischteichen bestand, darum herum Ferienhäuschen. Endlich störten wir im schwindenden Licht einen Schwarm Nachtreiher aus einem dicht bewachsenen Sumpf auf. Wir verließen den Wagen und sahen ihnen zu, wie sie immer näher zu uns her kreisten. David Xu war außer sich vor Freude. «Jonathan!», schrie er. «Sie wissen, dass du Vogelbeobachter bist! Sie heißen dich willkommen!»
In der Woche davor, nach meiner Ankunft in Shanghai, war mein erster Eindruck, dass China das fortgeschrittenste Land war, das ich je betreten hatte. Die Dimensionen von Shanghai, das aus der Luft ausgesehen hatte wie eine vollkommen platte Ebene mit Zehntausenden säuberlich aufgereihten rechteckigen Häusern – von denen sich jedes bei näherem Hinsehen als großer Wohnblock erwies –, und dann, auf der Erde, die brutal neuen Wolkenkratzer, die fußgängerfeindlichen Straßen und die künstliche Abenddämmerung des raucherfüllten Winterhimmels: Das alles hatte was. Es war, als hätten die Götter der Weltgeschichte gefragt: «Will jemand mal so richtig in der Scheiße sitzen?», und diese Stadt
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