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Weiter weg

Weiter weg

Titel: Weiter weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Franzen
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natürlich überwiegend nach Südostasien, eine Region, die auf dem besten Weg ist, durch Rodung und Tagebau zu einer riesigen Schlammgrube zu werden, denn China selbst ist hoffnungslos knapp an natürlichen Rohstoffen für seine Fabriken, die wiederum uns beliefern. Das chinesische Volk mag Hauptleidtragender der chinesischen Umweltverschmutzung sein, doch die Schädigung der Artenvielfalt wird auf die ganze Welt reexportiert. Und es scheint vom chinesischen Volk doch ziemlich viel verlangt, dass es sich nicht nur um den Schutz des Laotieshan und die Bereitstellung annehmbarer Atemluft, trinkbaren Wassers und nachhaltiger Erschließungen bemühen, sondern auch noch die Zerstörung Südostasiens, Sibiriens, Zentralafrikas und des Amazonas-Beckens im Blick haben soll. Da ist es schon beachtlich, dass es Leute wie Shrike, Hai-xiang Zhou und Yifei Zhang überhaupt gibt.
    «Mit ansehen zu müssen, wie etwas zerstört wird, und nichts dagegen tun zu können, das ist manchmal schon sehr traurig», sagte Shrike. Wir standen an einem stark verschmutzten Fluss bei Nanjing und blickten in eine Landschaft, die noch vor zwei Jahren ein Feuchtgebiet gewesen war und in der jetzt neue Fabriken standen. Aber es gab noch ein kleines, bisher nicht erschlossenes Areal, und das wollte Shrike mir zeigen.

    (Übersetzt von Eike Schönfeld)

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    Über Endstation für neun
    Ekström, ein gebürtiger Schwede, mit dem ich auf dem College ein Zimmer teilte, hat mich mit diesem Buch bekannt gemacht. Er schenkte es mir in einer billigen Taschenbuchausgabe, die ein geschmackloses Foto auf dem Cover hatte – ein Mann im Trenchcoat, der eine große Sonnenbrille trug und mit einer Maschinenpistole auf den Leser zielte. Das war 1979. Ich las damals ausschließlich große Literatur (Kafka, Goethe) und sah Ekström zwar nach, dass er nicht verstanden hatte, ein wie ernsthafter Mensch ich geworden war, erwog aber nicht, ein Buch mit einem so reißerischen Cover auch nur aufzuschlagen. Erst Jahre später, als ich eines Morgens krank im Bett lag und mich zu schwach fühlte, um mich mit Schriftstellern vom Kaliber eines Faulkner oder Henry James zu befassen, griff ich nach dem schmalen Taschenbuch. Ich war inzwischen mit einer Schriftstellerin verheiratet und verwendete viel Energie auf ein morbides Bestreben, Erkältungen zu vermeiden, denn wenn ich erkältet war, konnte ich weder schreiben noch rauchen, und wenn ich nicht schreiben und rauchen konnte, kam ich mir nicht klug vor, und mir klug vorzukommen war so ziemlich mein einziger Schutz gegen die Welt. Wie wunderbar tröstlich Endstation für neun war! Sobald ich die Bekanntschaft von Kommissar Martin Beck gemacht hatte, war meine Angst vor Erkältungen verschwunden (ebenso wie die Angst meiner Frau vor der schlechten Laune, die mich überfiel, wenn ich erkältet war), denn mit Erkältungen verband ich fortan die grimmige, komische Welt eines schwedischen Morddezernats. Es gab insgesamt zehn Martin-Beck-Romane, jeder von ihnen hervorragend geeignet, am schlimmsten Tag einer Halsentzündung verschlungen zu werden, doch der Band, den ich am liebsten mochte und am häufigsten las, war Endstation für neun . Seine glücklich verheirateten Autoren Maj Sjöwall und Per Wahlöö hatten das beruhigend Schlichte des Krimigenres mit dem tragikomischen Geist großer Literatur vermählt. In ihren Büchern verband sich wunderbare, geschickte Polizeiarbeit mit beeindruckend plastischen Schilderungen menschlichen Elends, die Menschen mit Halsschmerzen so tröstlich finden.
    «Das Wetter war grauenhaft», erfahren wir auf der ersten Seite von Endstation für neun , und grauenhaft bleibt es dann auch. Die Böden im Polizeipräsidium sind «schmutzverschmiert» von Männern, die «aufgeregt und durchnässt von Schweiß und Regen» sind. Ein Kapitel spielt an einem «widerwärtigen Mittwoch». Ein anderes beginnt: «Montag. Schnee. Wind. Saukalt.» Und wie das Wetter, so ist die Gesellschaft im Ganzen. Sjöwalls und Wahlöös Kritik an den Verhältnissen im Schweden der Nachkriegszeit – ein Thema, das alle zehn Bücher durchzieht – erreicht mit Endstation für neun ihren deliriösen Höhepunkt. Nicht nur das schwedische Wetter ist durch und durch grässlich – schwedische Journalisten sind ausnahmslos dumm und sensationsgeil, schwedische Vermieterinnen sind ausnahmslos habgierig und rassistisch, die Angehörigen der höheren Ränge der schwedischen Polizei sind ausnahmslos auf ihren Vorteil

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