Weiter weg
Tätigkeitsverben. Von ihr befallene Sätze tauchen fast immer in Begleitung von kurzen, deklaratorischen Sätzen mit and in der Mitte auf. Wenn Sie Comma-then verwenden, um and zu vermeiden, dann sagen Sie mir damit, dass Sie entweder finden, Comma-then klinge besser als and , oder aber selber merken, dass Ihre Sätze zu gleich klingen, und glauben, Sie könnten mich mit kosmetischen Änderungen darüber hinwegtäuschen.
Können Sie aber nicht. Wenn Sie zu viele ähnliche Sätze haben, müssen Sie sie eben umschreiben, ihre Länge und Struktur variieren und sie interessanter machen. (Wenn das schlicht nicht möglich scheint, ist vermutlich die Handlung, die Sie beschreiben, selbst nicht interessant.) Der einzige Unterschied zwischen den Sätzen
She finished her beer and then smiled at me.
und:
She finished her beer, then smiled at me.
oder, noch schlimmer:
She finished her beer then smiled at me.
ist dieser: Die beiden letzteren klingen wie aus der Literaturwerkstatt. Sie klingen unbedacht; und wenigstens diesen einen Sinn sollte Prosa haben: dass ihre Urheber nachdenken.
(Übersetzt von Bettina Abarbanell)
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Authentisch, aber schauerlich
Über Frühlings Erwachen
von Frank Wedekind
Frank Wedekind hat sein Leben lang Gitarre gespielt. Hundert Jahre später wäre er mit ziemlicher Sicherheit ein Rockstar geworden; nur dass er in der Schweiz aufgewachsen ist, lässt daran einen kleinen Zweifel aufkommen. Ob man es für einen Segen oder einen Jammer hält, dass er stattdessen zum Autor von Frühlings Erwachen wurde, dem besten und beständigsten deutschen Theaterstück seiner Zeit, hängt sehr davon ab, was man an einem Kunstwerk schätzt. Die großen Stärken von Frühlings Erwachen – Komik, Charakterzeichnung, Sprache – sind für guten Rock weitgehend irrelevant. Andererseits aber verfügt das Stück, selbst wenn es kein Massenpublikum anzieht, über einige ureigene Stärken des Rock: jugendliche Energie, subversive Kraft, spürbare Authentizität . Ja man kann sagen, dass Frühlings Erwachen ,Jahrzehnte nachdem Elvis und Jimi Hendrix und die Sex Pistols aufgehört haben, irgendwen zu schockieren, noch irritierender, noch anstößiger geworden ist als ein Jahrhundert zuvor. Was der Dramatiker an Breitenwirkung geopfert hat, gleicht er durch Langlebigkeit wieder aus.
In Kalifornien gezeugt und auf den Namen Benjamin Franklin getauft, war Wedekind der Sohn einer umherreisenden jungen Sängerin und Schauspielerin und eines doppelt so alten, politisch radikalen Arztes. Seine Mutter hatte Europa mit sechzehn Jahren verlassen, um ihrer Schwester und ihrem Schwager nach Valparaíso in Chile zu folgen. Der Schwager geriet bald in finanzielle Not, welche die beiden Schwestern linderten, indem sie als Sängerinnen entlang der Küste Süd- und Mittelamerikas tourten, und als die Schwester an Gelbfieber starb, zog Franks Mutter nach San Francisco und unterstützte die Familie des Schwagers durch ihre Arbeit als Bühnendarstellerin. Sie war zweiundzwanzig, als sie Dr. Friedrich Wedekind heiratete, der kurz nach den unterdrückten politischen Revolten von 1848 aus Deutschland ausgewandert war. Zurück in Deutschland – dort wurde Frank 1864 geboren –, gab Friedrich seine Arztpraxis auf und widmete sich ganz der politischen Agitation. Die Stimmung im Land wurde, unter Bismarck, jedoch zunehmend feindselig, und so ließ sich die Familie 1872 schließlich in einem kleinen Schloss in der Schweiz nieder.
Die Wedekinds führten zwar eine stürmische Ehe, aber die Familie war groß und hochgebildet und hielt eng zusammen. Frank wurde zu Hause wie in der Schule gemocht. Als er das Gymnasium verließ, schrieb er bereits Theaterstücke und Gedichte sowie Lieder, zu denen er sich selbst auf der Gitarre begleitete. Er war zu einem radikalen Atheisten geworden, auf ungeschliffene Weise gut angepasst und zugleich ganz und gar untauglich für eine herkömmliche Anstellung und ein bürgerliches Leben. Mit seinem Vater stritt er sich so heftig über seine berufliche Zukunft, dass er den alten Mann schließlich tätlich angriff und nach München ging, um Schriftsteller zu werden. Frühlings Erwachen schrieb er im Winter 1890/91, am Ostersonntag war das Stück fertig. In den folgenden fünfzehn Jahren arbeitete er daran, sich in der Theaterwelt beliebt zu machen und dafür zu sorgen, dass seine Stücke aufgeführt wurden. Zu seinen Freunden gehörten ein zwielichtiger Kunsthändler und Zirkuskünstler,
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