Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
was ich nicht zu wissen brauche, Boxer.«
» Ja, Boss.«
Boxer hielt seine alte Stute zurück. Sie durfte das Pferd seines Herrn auf keinen Fall überholen. Es war Zeit, dass der Boss zurückkehrte. Boxer wusste, dass eine Farm ohne jemanden, der das Sagen hatte, nichts wert war. Natürlich war es kein Problem, wenn er zwischendurch abwesend war, dann kümmerte sich schließlich Boxer um alles. Aber für ihn, für die Arbeiter und für die Missus war es besser, wenn er da war. Boxer machte sich Sorgen um die blasse Herrin. Sie war von Anfang an immer so traurig gewesen, obwohl ihr die Geister doch ständig Söhne schenkten.
Er klopfte seinem alten Pferd auf den Hals und zupfte an den Schlammklumpen in der Mähne. Am Anfang hatten seine Frauen ihr Geschenke gebracht, um sich die Kinder anzuschauen, aber dann hatten sie den Ausdruck in ihren Augen gesehen. Sie sah aus wie ein verängstigtes Kaninchen, wenn die Frauen es fingen. Als der große Eukalyptusbaum vor dem Haus in Sicht kam, tippte Boxer sich an den Hut und bog in die Richtung seines Lagers ab.
Hamish war zwar müde von der Reise, aber er nahm trotzdem jedes Detail der Landschaft wahr. Es war gut, wieder hier zu sein, die klare Luft einzuatmen und den trockenen Staub auf der Zunge zu schmecken. Um ihn herum erstreckte sich sein Land bis zum Horizont, weite, offene Ebenen nach Osten und Norden und bewaldete Flächen im Westen und Süden. Stachelige Dornenbüsche, Akazien, Schwarzeichen und Buchsbäume– danach hatte er sich gesehnt, seit er Sydney verlassen hatte. Hamish lehnte sich bequem auf seinem Sattel zurück. Hier war der Grund, warum er Schottland verlassen hatte. Es war sein Land.
Vor ihm lag das Haupthaus in der flirrenden Mittagshitze. Er war lange weg gewesen. Die Hitze drang durch seinen Anzug, einen von dreien, den er sich bei seinem neuen Schneider in der George Street hatte anfertigen lassen. Auch seine anderen Einkäufe waren sicher verpackt und verstaut. Ein Smokingjackett aus Samt, mehrere weiße Leinenhemden, eine Kiste feiner Zigarren und vor allem sein Porträt, das drei Tage früher fertig geworden war. Er musste Lee anweisen, den Mädchen beizubringen, seine Garderobe richtig zu pflegen. Und das Gemälde würde er natürlich im Esszimmer aufhängen.
Zufrieden lächelte er, als er vor dem Haus im Schatten der Eukalyptusbäume ankam. Das war sein Haus. Kein Lehmboden wie in den Bauernhäusern in Schottland, keine Zeltleinwand wie auf den Goldfeldern von Victoria. Und auch nicht das Haus eines anderen Mannes, wie der Backsteinbau von Matthew Reynolds, ein Haus, in dem er kaum zwei Nächte am Stücke geschlafen hatte.
Das niedrige, weiß verputzte Haus hatte sechs Schlafzimmer, Wohnzimmer, Esszimmer, Bibliothek und Büro. Ein Nähzimmer, eine große Speisekammer, das Zimmer der Nanny und ein Vorratsraum komplettierten das Gebäude. Allerdings plante Hamish, im neuen Jahr noch ein Musikzimmer und einen Schulraum anzubauen. Das Haus war umgeben von einer breiten, offenen Veranda. Das Küchengebäude erreichte man vom Hauptgebäude aus über einen schmalen, überdachten Steg. Dort befanden sich auch die Zimmer der vier Küchenmädchen. Dave und Jasperson, die beide als Aufseher auf Wangallon tätig waren, hatten ein eigenes Haus in einiger Entfernung.
Hamish stieg vom Pferd und band es fest. Dann drehte er sich um und warf noch einen Blick auf das flache Land, das sich vor dem Haus bis zum Horizont erstreckte. Ja, es war gut, wieder zu Hause zu sein.
Rasche Schritte ertönten. Ein kleiner Junge in einem blauen Matrosenhemd kam auf ihn zugerannt. Hamish lachte, als er seinen Ältesten sah, der ein paar Schritte von ihm entfernt stehen blieb und ihn anschaute. Er streckte die Hand aus und lächelte, als der Junge sie ergriff und schüttelte. » Hallo, Howard.«
» Hallo, Vater.«
Lautes Kreischen ertönte, und die stämmige Matrone, Mrs Cudlow, erschien. Ein Kind, William, ging brav neben ihr, und einen weiteren Jungen, der von oben bis unten mit Dreck beschmiert war, hielt sie fest am Ellbogen.
» Oh, Mr Gordon, Sir. Ich schwöre, der kleine Luke war bereits gebadet und sauber angezogen für Ihre Ankunft, Sir, aber der Junge hat nur Unsinn im Kopf.« Die Nanny stöhnte, als Luke versuchte, sich aus ihrem Griff zu befreien. Er trat sie fest vors Schienbein. Dann grinste er seinen Vater an und rannte davon.
» Es tut mir leid, Mr Gordon.«
Hamish zuckte mit den Schultern. Luke benahm sich für einen Vierjährigen recht
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