Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
vielversprechend.
Eine Gestalt in einem langen weißen Hemd über einer dunklen Hose trat aus dem Haus. » Boss, es ist sehr gut, dass du wieder zu Hause bist.« Lee grinste von einem Ohr zum anderen. Hinter ihm standen kichernd zwei junge Aborigine-Frauen mit weißen Schürzen über langen grauen Kleidern.
» Ja, Lee. Wie geht es dir?«
» Gut, gut.« Er warf den Frauen einen Blick zu. » Können schneiden, aber nicht kochen«, sagte er traurig.
» Ja, nun, Lee, deshalb trägst auch du die Verantwortung. Und sonst? Läuft alles glatt?« Hamish stellte fest, dass das eine Mädchen neu war.
» Missus kocht.« Lee verschränkte die Arme über der Brust. Er wirkte unzufrieden.
Einen Moment lang glaubte Hamish, er meinte seine Frau, aber Mrs Cudlow warf sich in die Brust.
» Sie will immer nur kochen, kochen, kochen…«
» Nun, Lee, das musst du mit Mrs Cudlow klären.« Hamish nickte Mrs Cudlow zu und setzte sich in einen der Stühle, die Dave vor über vier Jahren gebaut hatte. Sitzfläche und Rückenlehne bestanden aus Packkisten, und Beine und Armlehnen waren aus dem restlichen Holz entstanden. Rasch kniete sich Lee hin und zog Hamish die kniehohen Reitstiefel aus.
Hamish freute sich, dass er diese selbst gemachten Möbel endlich wegwerfen konnte. Er hatte auf seiner Reise neue Stühle und Tische bestellt und hoffte, dass sie innerhalb der nächsten Monate ankamen.
» Wenn Sie mich dann entschuldigen wollen?« Mrs Cudlow nahm Luke auf den Arm und entfernte sich. Ihr Mund war missbilligend zu einem dünnen Strich zusammengepresst.
Lee grinste und winkte über die Schulter einem der beiden Mädchen. Die zierliche, tiefschwarze junge Frau ergriff vorsichtig die Stiefel und flüchtete mit dem anderen Mädchen von der Veranda.
Hamish folgte ihnen mit seinen Blicken, bis sie im Haus verschwunden waren. Er streckte die Beine aus. » Gibt es irgendwelche Probleme mit den Hausmädchen?«
Lee setzte sich im Schneidersitz auf die Veranda. » Nein, Boss. Milly ist neu, Boss.« Er grinste.
Hamish zog einen Beutel Tabak aus der Tasche. » Magst du?«
Lee sprang auf, ergriff den Beutel und atmete genießerisch den Duft ein. Dann ließ er das Geschenk verschwinden, bevor jemand die Transaktion mitbekam. » Danke, Boss.«
Hamish grinste seinen alten Freund an. Mittlerweile waren sie weit von den Goldfeldern und dem Sklaventreiber, an den Lee in China gebunden war, entfernt. Lee verbeugte sich und verschwand um die Ecke. Hamish wusste, dass er jetzt zu seiner Rindenhütte hinter dem Gemüsegarten lief, um dort den Tabak zu genießen.
» Wenn doch alles nur so einfach wäre«, murmelte Hamish. Er stand auf und streckte sich. Er hatte Lees Schulden bezahlt und seine Familie aus der Leibeigenschaft befreit. Und dafür war Lee ihm jetzt ein treuer Gefährte und Diener. Er kam einem wahren Freund am nächsten.
Er hatte seinen Bruder gekannt und ihn sterben sehen. Er wusste, wie es war, allein auf der Welt zu stehen, und er wusste auch, was Treue war.
» Und jetzt lassen wir uns mal zu Hause willkommen heißen«, verkündete Hamish und ging hinein.
Vor den Fenstern hingen schwere, cremefarbene Spitzengardinen, zusammengehalten von gelben Baumwollschärpen, die zu beiden Seiten an einem verborgenen Nagel hingen. Sie brachten Farbe in das Zimmer. Das nächste Mal, dachte Hamish, würde er auch für dieses Zimmer Tapeten kaufen. Etwas Gemustertes, vielleicht wie die roten Rosen auf cremefarbenem Hintergrund, die in seinem Klub die Wände schmückten. Die feine Porzellanwaschschüssel mit Krug und Seifenschale stand auf der großen Eichenkommode, die er in Sydney erworben hatte. Über den Beinen seiner Frau lag eine Steppdecke in Pastelltönen, und neben ihr lag das Kreuzstichbild eines Hauses. Ihr Gesicht, das teilweise von ihren langen feinen Haaren verdeckt war, hatte sie tief ins Kissen gedrückt, als ob sie Wärme und Schutz suchen würde.
Hamish entledigte sich seines Jacketts, seiner Taschenuhr und seiner Weste, goss Wasser ins Becken und wusch sich den Schmutz des Morgens von Händen, Armen und Nacken. Erst danach trat er an die Wiege, die in einer Zimmerecke stand. Das Kind war erst wenige Tage alt, klein und kahlköpfig, mit einem verkniffenen Gesichtchen. Hässliches Kind, dachte Hamish, die anderen waren schöner. Grob zog er die Windel herunter und berührte mit seinem großen Zeigefinger den kleinen Penis.
» Ja, schon wieder ein Junge«, sagte Rose mit erschöpfter Stimme. Sie klang völlig
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