Weites Land der Träume
können sie wenigstens schwimmen, wenn es sein muss«, dachte sie sich, während sie zwei Kartons mit Lebensmitteln, zwei Wasserschläuche, Kleidung zum Wechseln und die wichtigsten Dokumente zusammenpackte. Dann zerrte sie die Anrichte in der Küche unter die Falltür in der Decke, die zum Dach führte. Ray hatte dort oben aus Dielenbrettern eine Rettungsplattform gebaut. Nachdem Alice sich vergewissert hatte, dass sie, Ben und die beiden Hunde im Notfall hinaufklettern konnten, kümmerte sie sich um das restliche Haus. In den nächsten anderthalb Stunden arbeitete sie mit Feuereifer, rollte Teppiche zusammen, stapelte Kisten und räumte Schränke aus, um im Fall einer Überschwemmung des Hauses so viel wie möglich von ihrer Habe zu retten. Währenddessen schlichen die beiden Hunde kläglich jaulend um sie herum. Bald sah es im Haus aus wie in einem Gebrauchtwarenladen. Nach einer Weile wachte Ben auf und begann zu weinen. Alice redete ihm gut zu und arbeitete weiter. Als sie endlich einen Teil ihrer Besitztümer in Sicherheit gebracht hatte, nahm sie ihn zärtlich auf den Arm.
»Gleich kommt Onkel Robert und holt uns mit dem Boot ab. So eine Spazierfahrt bei Dunkelheit wird bestimmt ein Abenteuer.« Sie küsste ihn auf die Stirn.
Das letzte Licht verblasste am Himmel, und das Wasser schwappte über den Rand der Veranda, als Robert in seinem Boot eintraf. Inzwischen hatte der Regen wieder eingesetzt. Dankbarkeit überwältigte Alice.
»Gillgully steht auch fast vollständig unter Wasser«, meinte Robert. »Lass uns aufbrechen, bevor es so dunkel wird, dass wir nicht mehr sehen, wo wir hinfahren. Bei diesem Wind werden wir sicher eine Weile nach Wangianna brauchen.« Alice reichte Robert Kartons und Wasserschläuche. Dann hob sie Ben, der in seinem Regenmantel mit tief heruntergezogener Kapuze und mit seinen vor Staunen geweiteten Augen aussah wie ein Zwerglein, in seine Arme, und befahl den Hunden, ins Boot zu springen. Der ältere Hund gehorchte sofort, doch Bitsa lief ängstlich jaulend vor dem Boot hin und her und duckte sich, bis ihr Bauch fast den Boden berührte. Ungeduldig packte Robert die Hündin am Genick und zerrte an ihr, bis sie es endlich unter Protestgebell wagte. Alice folgte ihr. Als sie im strömenden Regen über die Weiden davontuckerten und ihr Zuhause den tosenden Fluten überließen, war Alices Herz zu voll, um sich Gedanken um Robert zu machen. Sie drückte Ben an sich, schützte sein Gesicht vor dem auffrischenden Wind und musste die Tränen unterdrücken, während sie zusah, wie der Widderstall in der Nacht verschwand.
Der Wind wurde immer stärker. Robert hielt Ausschau nach Orientierungspunkten, die aus der Dunkelheit aufragten, und musste immer wieder den Motor aus dem Wasser heben, damit sich die Schrauben nicht in einem Zaun verhedderten. So kamen sie nur langsam voran. Auf halbem Wege zwischen MerryMaid und Wangianna tosten heftige Böen, beutelten das Boot hin und her und peitschten das Wasser zu kleinen Wellen auf. Plötzlich durchzuckte ein Blitz die Wolken und erhellte die bleichen Gesichter der drei Reisenden. Schon im nächsten Moment folgte ein gewaltiger Donner-knall. Erschrocken brach Ben in Tränen aus. Die beiden Hunde drängten sich gegen Alices Knie. Die Bäume bogen sich im heftigen Wind, und ihre gewaltigen Äste konnten der Wucht kaum standhalten. Inzwischen waren Robert, Alice und Ben nass bis auf die Haut. Der heftige Sturm, der rings um sie peitschte, brachte sie immer wieder vom Kurs ab, sodass Robert mit aller Kraft gegensteuern musste. Einmal wurden sie sogar rückwärts geweht, und nur ein Zickzackkurs sorgte dafür, dass sie bald wieder in die richtige Richtung fuhren. In der Dunkelheit wehten ihnen Blätter und Rindenstückchen ins Gesicht, und der Regen, den der Wind ihnen entgegentrieb, ergoss sich über ihre gebeugten Köpfe. Die Arme fest um Ben geschlungen, begann Alice zu beten. Als sie sich den Lichtern von Wangianna näherten, leuchtete ein riesiger Blitz am Himmel auf, schlug dann in einen der majestätischen alten Eukalyptusbäume ein und spaltete ihn in der Mitte. Wie um seine Kraft zu beweisen, riss der Wind die eine Hälfte des Baumes mit sich und schleuderte sie wie ein Spielzeug ins schäumende Wasser. Robert ließ den Motor mit voller Kraft laufen, als sie das letzte Stück Wasserfläche zum Haus zurücklegten. Dann, plötzlich, verebbten die Wut des Wetters und der Regen, und das Boot stieß gegen die Veranda von Wangianna.
Elizabeth, in
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