Weites Land der Träume
einen Regenmantel mit Kapuze gehüllt, erwartete sie schon aufgeregt. Alice und Ben wateten zitternd die Stufen hinauf, während Stewart Robert beim Festmachen des Bootes half. Die Hunde brauchten keine Aufforderung, um auf die trockene Veranda zu springen.
»Dem Himmel sei Dank, ihr seid alle gerettet«, sagte Elizabeth.
Als Alices Hunde die von Robert kennen lernten, entstand ein wenig Radau. Doch ein scharfer Befehl von Elizabeth schickte die eine Partei zurück auf ihre Decke, während Alice ihre beiden Vierbeiner am anderen Ende der Veranda festband. Dann wurden sie und Ben in das warme Haus geführt, wo ein dampfendes Getränk und ein heißes Bad sie bald wieder aufmunterte.
Nachdem Ben, von dem Abenteuer erschöpft, eingeschlafen war, saß Alice, eine Tasse Kakao in der Hand, da und lauschte zusammen mit den McIains dem Wetterbericht im Radio. Als Andrew anschließend anfing, die anderen herumzukommandieren, forderte Elizabeth ihn sofort auf, den Mund zu halten.
»Ich halte es für das Vernünftigste, Robert die Verantwortung zu übertragen, bis das Schlimmste vorbei ist«, verkündete sie mit Nachdruck. Ian und Jordie schwiegen. Andrew errötete und verstummte schlagartig.
Zur allgemeinen Erleichterung waren bis zehn Uhr keine weiteren Überschwemmungen gemeldet worden. Alice fiel neben Ben ins Bett, wo sie wach lag und sich fragte, ob wohl einer ihrer Widder das Unwetter überlebt hatte.
»Wenn ja, lass bitte den Kaiser dabei sein«, betete sie und fiel dann in einen unruhigen Schlaf.
Als sie aufwachte, lag Dunst über der Landschaft. Im Laufe des warmen Tages lockte die Sonne die mit jeder Flut einhergehenden Plagegeister, die Mücken und Sandfliegen, hervor, und man hörte Tag und Nacht die kläglichen, herzzerreißenden Schreie der Tiere, die von diesen winzigen Blutsaugern gequält wurden.
»Das hasse ich am meisten an Überschwemmungen. Man kommt sich so hilflos vor«, gestand Elizabeth Alice mit einem bedrückten Kopfschütteln. Die beiden Frauen bereiteten gemeinsam die Mahlzeiten zu, während die Männer im Boot losfuhren, um die Schafe zu retten und sie zu füttern. Stewart, der auf Alice bemerkenswert gesund und ausgeglichen wirkte, begleitete sie.
»Mit dem Verlust der Herden muss man sich abfinden. Ein Haus kann man putzen oder neu aufbauen, aber es fällt mir schwer, das Leid von den Tieren mit anzusehen«, stimmte Alice zu. Sie machte sich Sorgen um ihre Schafe und fühlte sich in Gegenwart dieser Frau, die ihr in der Vergangenheit so viel Ablehnung entgegengebracht hatte, ein wenig unwohl. Als sie über den flachen milchig braunen See blickte, aus dem hin und wieder ein paar niedrige Bäume ragten, konnte sie auf den Anhöhen weiße Punkte sehen. Offenbar drängten sich dort einige Tiere zusammen.
Plötzlich legte Elizabeth das Messer weg und stützte sich auf den Tisch. »Dieser Zeitpunkt ist so gut wie jeder andere«, verkündete sie.
Alice blickte von ihrem Schneidebrett auf und fragte sich, was nun wohl kommen würde. »Ich möchte Ihnen für Ihre Hilfe an Weihnachten danken, Alice. Zum ersten Mal im Leben habe ich mich von den Umständen überwältigen lassen, und ich werde Ihnen immer dafür dankbar sein, dass Sie mich in dieser Krise unterstützt haben. Ich habe mich immer für eine gute Menschenkennerin gehalten, doch bei Ihnen habe ich mich gründlich geirrt. An diesem Tag ist mir klar geworden, dass Sie nicht nachtragend sind. Ich möchte Ihnen sagen, dass Sie und Ihre Familie auf Wangianna immer willkommen sind.«
Alice stand da wie vom Donner gerührt.
Die nächsten beiden Tage schleppten sich dahin, und am Ende des dritten Tages machte das Wasser noch immer keine Anstalten zurückzuweichen. Zum Glück hatte Jimmy sich per Funk gemeldet. Er hatte zwei Nächte in einem Baum am anderen Ende der Farm verbracht, nachdem es ihm gelungen war, die meisten Mutterschafe nach oben auf die Straße zu treiben. Die übrigen Schafhirten waren ebenfalls wohlauf, und es war niemand ums Leben gekommen. Allerdings wusste er nicht, wie es drinnen im Haus aussah.
Am vierten Tag ging das Wasser endlich zurück, doch man war noch immer auf das Boot angewiesen. Als Alice bei Sonnenaufgang aufstand, blickte sie auf eine Welt hinaus, die unter einer dicken weißen Decke versteckt war. Im Dunst waren die Bäume nur als graue Umrisse zu erkennen. Die Sonne verbreitete im Osten einen schwachen Schimmer. Aber in ein paar Stunden würden ihre Strahlen die Wolken vertreiben und die Schwüle sowie
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