Weizenwampe
ist, dass der zunehmende Weizenanteil in der Ernährung zumindest bei den Amerikanern mit einem wachsenden Körperumfang einherging. Seit dem Aufruf im Nationalen Cholesterin-Aufklärungsprogramm von 1985 ist bei Männern wie Frauen ein starker Anstieg des Körpergewichts zu verzeichnen. Interessanterweise setzte in diesem Jahr auch die Statistik des Präventionszentrums CDC zum Körpergewicht ein, in der das explosionsartige Anwachsen von Fettleibigkeit und Diabetes penibel dokumentiert ist.
Aber warum ausgerechnet der Weizen, wo der Mensch doch so viele andere Getreidearten kennt? Weil Weizen in der menschlichen Ernährung mit großem Abstand die Hauptquelle des Klebereiweißes Gluten darstellt. Die meisten Menschen nehmen Gluten nicht in Form von reichlich Roggen, Gerste, Dinkel, Grünkern, Bulgur, Kamut oder der Weizen-Roggen-Kreuzung Triticale auf. In Amerika beträgt der Weizenanteil in der Ernährung gegenüber anderem Getreide mehr als 100 zu eins; in Deutschland mit seinem traditionell hohen Roggenverzehr immer noch sieben zu eins, bei steigender Tendenz. 1 Zudem weist Weizen einige sehr spezielle Eigenschaften auf, die besonders negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben und auf die ich später genauer eingehen werde. In erster Linie aber konzentriere ich mich auf Weizen, weil er bei den meisten Menschen praktisch gleichbedeutend ist mit Gluten. Deshalb verwende ich ihn hier häufig als Oberbegriff für alle glutenhaltigen Getreidesorten.
Die gesundheitlichen Auswirkungen von Triticum aestivum , dem herkömmlichen Brotweizen, und seinen genetischen Verwandten reichen vom Mund bis zum Anus, vom Gehirn bis zur Bauchspeicheldrüse und betreffen Hausfrauen und Rentner ebenso wie erfolgreiche Unternehmerinnen und Börsenmakler.
Es lohnt sich weiterzulesen, auch wenn Ihnen dies abstrus erscheint. Denn ich treffe diese Aussagen bei klarem, weizenfreiem Bewusstsein.
Im Schlaraffenland
Wie die meisten Vertreter meiner Generation, die Mitte des 20. Jahrhunderts in einer Überflussgesellschaft auf die Welt kamen, habe ich eine lange und sehr persönliche Beziehung zum Weizen. Meine Schwestern und ich kannten alle Sorten der diversen bunten Frühstücksflocken, die wir aus verschiedenen Packungen zu individuellen Mischungen zusammenkippten, um am Ende gierig die süße, pastellfarbene Milch auszutrinken, die in der Schüssel zurückblieb. Das war aber nicht unsere einzige Begegnung mit Essen aus der Tüte. Zum Schulsandwich packte unsere Mutter häufig ein paar Kekse dazu, und abends liebten wir einzeln abgepackte Fertiggerichte, die wir zu den Vorabendserien in uns hineinschaufeln konnten.
In meinem ersten Jahr am College ernährte ich mich dank des All-you-can-eat-Gutscheins, der in der Miete inbegriffen war, von Waffeln und Pfannkuchen zum Frühstück, Bandnudeln mit Sahnesauce zum Mittag und Spaghetti mit Baguette zum Abendessen (ganz zu schweigen von dem einen oder anderen Muffin oder Bagel zwischendurch). Damit futterte ich mir nicht nur im Nu ordentliche Speckreserven an, sondern verfiel auch bereits mit 19 Jahren in einen Zustand permanenter Erschöpfung, gegen den ich dann 20 Jahre lang mit literweise Kaffee ankämpfte. Ich bemühte mich redlich, meine umfassende Müdigkeit loszuwerden, die auch bei noch so viel Nachtschlaf nicht nachlassen wollte.
Das alles wurde mir jedoch erst 1999 schlagartig bewusst, als ich mich auf einem Urlaubsfoto sah, auf dem meine Frau mich am Strand mit unseren Kindern, damals zehn, acht und vier Jahre, abgelichtet hatte.
Auf dem Bild lag ich schlafend im Sand. Mein Wabbelbauch hing auf beiden Seiten herunter, und mein Doppelkinn ruhte auf meinen verschränkten, schlabbrigen Armen.
Erst da begriff ich es: Ich hatte nicht nur ein paar Pfund zu viel. An meinem Bauch hatten sich locker 15 Kilo Übergewicht angesammelt. Was mochten meine Patienten von mir denken, wenn ich ihnen Ratschläge für eine gesündere Ernährung gab? Ich war nicht besser als die Ärzte aus den 1960ern, die an ihren Zigaretten zogen, während sie ihre Patienten aufforderten, gesünder zu leben.
Aber woher hatte ich diese Wampe? Immerhin joggte ich damals meine drei bis fünf Meilen am Tag, ernährte mich ausgewogen, also ohne Fleisch- und Fettexzesse, machte einen Bogen um Burger und Schokoriegel und achtete darauf, reichlich gesundes Vollkorn zu mir zu nehmen. Was war hier los?
Natürlich hatte ich einen gewissen Verdacht. Mir war aufgefallen, dass ich an Tagen, an denen ich morgens Toast,
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