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Wells, ich will dich nicht töten

Wells, ich will dich nicht töten

Titel: Wells, ich will dich nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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liebt mich«, beharrte die Stimme, während mir die schwarzen Fangarme über das Gesicht wanderten und an den Lippen zerrten. Ich presste den Mund fest zusammen und spannte alle Muskeln im Gesicht an, konnte aber nicht verhindern, dass die Dämonin eine Lücke fand und in mich hineinkroch.
    Mom blickte mich hilflos weinend an und schlug mit bloßen Händen ohnmächtig auf den fließenden schwarzen Schleim ein. Sie stieß einen verzweifelten Schrei aus, schloss die Augen, öffnete sie wieder und taumelte zurück.
    »John hasst sich«, sagte sie laut, während sie zwischen Brooke und mir hin und her blickte, als sei sie unsicher, zu wem sie sprechen sollte. »Wenn du ein Teil von ihm wirst, wird er auch dich hassen. Daran wird sich nie etwas ändern.«
    Der Kleister zögerte, die Tentakel schwebten unschlüssig in der Luft. Was hast du vor?, dachte ich.
    Mom schluckte schwer und fuhr fort. »Er hat Brooke, Marci und alle anderen nie geliebt, und sie haben auch nicht ihn geliebt.« Flehend blickte sie mich an. Es tut ihr leid, dachte ich. Den Gesichtsausdruck kenne ich. Ich kenne sie besser als jeder andere auf der Welt. Warum sagt sie so etwas, wenn es ihr gleichzeitig leidtut? Hinter dem Offensichtlichen verbarg sich aber noch ein anderer Gesichtsausdruck. Was hatte sie vor?
    »Es gibt nur einen Menschen, den er jemals geliebt hat«, fuhr sie fort, »und nur einen Menschen, der jemals seine Liebe erwidert hat.«
    Auf einmal begriff ich, was die seltsame Miene zu bedeuten hatte. Sie verabschiedete sich. Tu es nicht !, wollte ich schreien, doch mein Mund war voller Asche, und ich bekam keinen Ton heraus.
    Mom starrte mich an, tief bewegt und voller Angst. »Und das bin ich.«
    Der Kleister war jetzt völlig reglos.
    »Wer hat ihn durch alle Schwierigkeiten begleitet?«, fragte Mom. »Wer ist der einzige Mensch, der ihn nie verlassen hat, und der einzige Mensch, den er nie verlassen hat? Manchmal lässt er sich sogar selbst im Stich und wirft sein Leben weg, um irgendeinen wahnwitzigen Plan zu verfolgen, aber nie seine Mutter. Mich verlässt er nie. Ich war von Anfang an da und habe ihm in allen Krisen geholfen, ich habe den Schleim des ersten Dämons vor der Polizei versteckt und ihm gezeigt, wie er sich selbst und seine dunkle Seite in den Griff bekommt. Ich bin der einzige Mensch, den er je geliebt hat, und der einzige Mensch, den er je lieben wird, und wenn du ihn auch lieben willst, dann …« Mit weit aufgerissenen Augen hielt sie inne und schluckte abermals. »Dann musst du mich nehmen.«
    Nein! Doch es war zu spät. Die Dämonin ließ von mir ab, strömte zurück, streckte die Tentakel nach Mom aus und umschlang sie gierig.
    »Ich wusste, dass du an den See kommst«, sagte sie und beobachtete mich unverwandt, während ihr die Dämonin an den Beinen hochkroch. »Ich kannte auch den Grund.« Hungrig hüllte das Monster ihre Brust ein und ließ mich zu Boden fallen, während es nach Moms Gesicht griff. »Ich wusste, was du geplant hattest, aber das konnte ich nicht zulassen. Ich …« Dann hatte das Monster Moms Gesicht erreicht und strömte durch alle Öffnungen hinein, durch den Mund, die Nase, die Ohren, die Augen. Ich mühte mich auf die Füße und rannte zu ihr hinüber, doch ein schwarzer Tentakel stellte mir ein Bein, ich stürzte und fiel abermals auf das verletzte Handgelenk. Dieses Mal hörte ich ein deutliches Knacken, und ich schrie vor Schmerzen laut auf. Kreischend rollte ich mich ab, erhob mich auf die Knie. Die Dämonin konzentrierte sich jetzt ausschließlich auf Mom, ein unförmiger Klecks, der mit Brooke und mir nicht mehr verbunden war. Mom zuckte zusammen, als der Kleister in sie hineinströmte und sich mit Gewalt einen Weg in ihren Körper bahnte. Als ich sie erreichte, verschwand gerade der letzte Fangarm in ihrem Innern.
    »Mom«, schrie ich, »wehr dich!« Hilflos tastete ich ihre Ohren und den Mund ab, als könne ich den Kleister wieder herausziehen. »Wehr dich!«, rief ich. »Stoß es aus! Wir können dich noch retten!«
    Mom taumelte mir entgegen, dann sank sie zur Seite weg. Ich konnte sie mit einer Hand stützen, doch sie stolperte weiter, biss die Zähne zusammen und grunzte vor Anstrengung. »Hat … noch nicht … die Kontrolle …« Sie taumelte weiter. »Bin … immer noch da.« Dann hielt sie inne, sank auf ein Knie, konnte sich gerade noch abfangen. Sie bewegte sich steif wie eine zum Leben erwachte Schaufensterpuppe. Ich wollte ihr aufhelfen und überlegte fieberhaft, wie

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