Wellsaga Band 1 (German Edition)
Der ist aus Well, der Stadt für die ich arbeite. Behalten Sie ihn.“
„ Das kann ich nicht annehmen!“
„ Doch, können Sie. In Well reicht man diese Art von Talisman immer dann weiter, wenn man jemanden trifft, der eine Eingebung braucht.“
„ Das ist nett von Ihnen. Leider habe ich nichts, was ich Ihnen geben kann.“
„ Das macht nichts. Sie können den Talisman später einmal weitergeben, wenn Sie ihn nicht mehr brauchen, und sich auf diese Art revanchieren.“
„ Das werde ich. Vielen Dank.“
Katja betrachtete den Talisman genauer. „Was bedeutet der Vogel?“
„ Dieser Vogel gehört zu einer seltenen Falkenart, die in den Bergen von Well lebt. Falken sind schnell wie Gedanken. Sie fliegen hoch über den Dingen und haben eine erhabene Perspektive im Gegensatz zu den Menschen, die auf dem Boden leben. Der Talisman bedeutet, dass man hin und wieder die Welt mit den Augen eines Falken sehen sollte. Man sollte seine Gedanken beflügeln und in die Höhe schicken, wo sie frei vom täglichen Allerlei sind, bis sie mit einem neuen Impuls zu einem zurückkehren.“
„ Das klingt schön. Wo liegt Well eigentlich? Ich habe noch nie von diesem Ort gehört.“
„ Ich bin gerade auf dem Weg dorthin. Well ist ein Stadtstaat, von hohen Bergen umgeben. Er ist eine kleine Idylle und wirklich sehr besonders.“
„ Sie machen mich neugierig. Was ist so besonders?“
„ Ich kann das nicht so recht in Worte fassen. Die Menschen in Well sind ausgesprochen freundlich und liebenswürdig. Ihre Kultur ist einem einerseits vertraut und andererseits fremd, wie nicht von dieser Welt. Well ist im Grunde wie eine Welt für sich. Es gibt dort beispiel s weise kein Geld, was ich, als jemand, der sich beruflich mit Finanzen beschäftigt, unglaublich finde. Nicht, dass Sie denken, die Wellner lebten wie in der Steinzeit. Es gibt dort Märkte und Geschäfte, wo man sich versorgen kann, aber mit dem Unterschied, dass nirgendwo Kassen stehen. Die Wellner nehmen sich einfach das, was sie möchten und gehen wieder. Dem Ladeninhaber ist es Lohn genug, dass sie etwas in seinem Laden gefunden haben, was ihnen gefällt.“
„ Das ist ja wie im Märchen. Woher kommen die ganzen Waren?“, fragte Katja.
„ Alles was es in Well gibt, wird in Well hergestellt. Die Wellner arbeiten jedoch nicht für Geld, sondern weil es sie erfüllt und Freude bereitet. Und wenn es mal etwas gibt, das niemandem Spaß macht, aber getan werden muss, wird es gemeinsam erledigt. Das endet dann nicht selten in einem kleinen Fest. Man könnte meinen, dass viele Leute nicht arbeiten wollen, wenn sie alles geschenkt bekommen, aber tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Ich kenne niemanden in Well, der sich nicht irgendwie einbringen möchte. Und falls sich jemand mal in einer Lebensphase befindet, in der er keine Muße hat zu arbeiten, lässt er es einfach. Das nimmt dort niemand krumm.“
Katja schaute ungläubig.
Ihr Gesprächspartner lächelte. „Ja, wenn man es nicht selbst gesehen hat, mag man es nicht glauben.“
„ Kann man denn dort einmal hinfahren und es sich anschauen?“
„ Das geht leider nicht so einfach.“
„ Das dachte ich mir schon irgendwie“, kommentierte Katja lachend.
„ Nach Well kann man nur, wenn die eigenen Eltern Wellner sind oder wenn man in Begleitung von einem Wellner anreist.“
„ Nur eine Sache. Vorhin sagten Sie, dass Sie Finanzbuchhalter und Vermögensverwalter sind und auf dem Weg zu Ihren Kunden wären. Und nun erzählen Sie mir, dass Sie nach Well fahren, und dass das ein Ort ist, in dem es kein Geld gibt. Das ergibt keinen richtigen Sinn.“
„ Doch, ergibt es. Einige Wellner reisen viel und stehen gern mit Rat und Tat zur Seite, wenn jemand Hilfe braucht. Dadurch haben sie sich auf der ganzen Welt viele Freunde gemacht. Hin und wieder kommt es vor, dass ihnen Menschen aus Dankbarkeit Geschenke machen oder ihnen sogar ihr gesamtes Hab und Gut vererben. Ich verwalte für die Wellner all diese Vermögen außerhalb von Well.“
„ Ich verstehe“, sagte Katja, „aber wie sind Sie zu diesen Job gekommen, wenn ich fragen darf?“
„ Das ist eine etwas längere Geschichte. Sie müssen wissen, dass ich aus einem ganz anderen Bereich komme. Meine Familie besitzt eine Bäckerei in der dritten Generation, und so war es schon recht früh klar, dass ich auch einmal Bäcker werden sollte. Nach der Schule absolvierte ich dann auch eine Bäckerlehre und fing bei uns in der Bäckerei an. Schon während der
Weitere Kostenlose Bücher