Welpenalarm! - Scheunemann, F: Welpenalarm!
schlechte. Kommen dann noch Tränen dazu, wird es ganz finster. Ich bin vielleicht noch kein solcher Experte wie Herr Beck, aber zu einer gewissen Kennerschaft bei der Beurteilung von menschlichen Gemütszuständen habe ich es mittlerweile auch schon gebracht.
Ich betrachte Luisas Gesicht – nein, traurig sieht sie nicht aus. Eher ganz zufrieden mit sich und der Welt. Also redet sie wirklich mit mir. Toll, offensichtlich geht die Kennerschaft inzwischen auch in die andere Richtung, und Luisa kann sich ganz gut in meine Gedankenwelt einfinden. Um ihr zu signalisieren, dass sie auf dem richtigen Weg ist, wedele ich mit dem Schwanz. Auf dem Rücken liegend ist das gar nicht so einfach, und ich fange dabei auch ganz schön zu rudern
an, um nicht von Luisas Schoß zu fallen. Bevor aber noch ein Unglück passiert, ist die Botschaft angekommen. Luisa nimmt mich in ihre Arme und flüstert mir ins Ohr.
»Herkules, so ist das an Weihnachten. Alles soll schön sein, und das ist manchmal ganz schön anstrengend.«
Das scheint mir auch so – die entscheidende Frage ist nur: warum? Und was ich nach wie vor nicht verstehe: Ich habe doch schon zweimal Weihnachten mit Marc und Carolin gefeiert, und da wurde im Vorfeld nicht einmal halb so viel Gewese betrieben wie jetzt. Und nur, weil Luisa dieses Mal dabei ist und vielleicht der Weihnachtmann kommt, diese ganze Aufregung? Was ist bloß mit meinen Menschen los? Sind die alle verrückt geworden? Wenn sich selbst der sonst so entspannte Marc in diesem Kaufhausdings schon fast eine Schlägerei liefert? Offenbar wirke ich für Dackelverhältnisse und trotz der vielen Haare um meine Schnauze herum extrem skeptisch, denn Luisa legt noch mal nach.
»Weißt du, ich glaube, Papa hat Angst, dass ich Weihnachten hier nicht schön finde. Die letzten beiden Jahre habe ich immer mit der Mama gefeiert. Und weil sich Papa und Mama ja nicht so gut verstehen, befürchtet Papa vielleicht, dass ich dann Heimweh bekomme und wieder nach München will. Verstehst du?«
München? Ich knurre ein bisschen, was mir gerade bei dem Gedanken an Marcs Exfrau besonders leichtfällt. Sabine, diese falsche Schlange, hatte im vorletzten Sommer doch tatsächlich versucht, Marc meiner Carolin wieder abspenstig zu machen. So schön kann Weihnachten mit dieser furchtbaren Frau beim besten Willen nicht sein!
»Keine Sorge, Herkules«, interpretiert Luisa mein Knurren richtig, »ich freue mich, dass ich dieses Jahr hier bin. Auch wenn das mit dem Weihnachtsmann nicht klappt.«
Weihnachtsmann? Ich strample mich frei, springe von Luisas Arm, hocke mich direkt vor ihre Füße und mustere sie interessiert. Jetzt wird es spannend! Was weiß Luisa über den Weihnachtsmann?
»Es ist nämlich so, Herkules: Ich glaube gar nicht mehr an den Weihnachtsmann. Schon seit letztem Jahr nicht mehr. Da war ich doch zur Klassenfahrt im Schullandheim, und Paulis Klasse war auch da, und abends haben wir Flaschendrehen gespielt. Und weil ich verloren habe, musste ich ein Geheimnis verraten. Da habe ich erzählt, dass ich weiß, wo der Weihnachtsmann wohnt. Weil ich nämlich in München gesehen habe, dass unser Nachbar den Weihnachtsmannanzug an seiner Garderobe hängen hatte und dann später mit Rauschebart und einem großen Sack über den Flur gehuscht ist. Als ich das erzählt habe, haben sich alle totgelacht. Am meisten Pauli. Dabei finde ich den so toll! Na, und dann haben mir alle erzählt, dass es den Weihnachtmann gar nicht gibt. Alle waren sich einig, dass sich die Erwachsenen das nur ausdenken, damit wir Kinder brav sind, und dass unser Nachbar keinesfalls der echte Weihnachtsmann war. Pauli konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen. Richtig ätzend war das. Tja, seitdem weiß ich das. Und letzte Woche habe ich gehört, wie Papa Carolin erzählt hat, dass er wahrscheinlich niemanden mehr aufgetrieben kriegt, der bei uns zu Weihnachten den Weihnachtsmann spielt. Es stimmt also.«
Kann das wahr sein? Das wäre ja sensationell, SENSATIONELL! Nicht, dass mir die Existenz des Weihnachtsmanns irgendetwas bedeuten würde, aber zum ersten Mal in meinem Leben als Haustier wüsste ich etwas über Menschen, was Herr Beck noch nicht herausgefunden hat. Es gibt keinen Weihnachtsmann! Ich spüre ein triumphales Gefühl in mir hochsteigen, fast wäre ich versucht, sofort zu Carolins Werkstatt
zu laufen, um Herrn Beck das unter die Nase zu reiben. Von wegen die Menschen warten auf den Weihnachtsmann . So’n Quatsch! Tun sie eben
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