Welt der Elben (Band 2: Weltenriss, Götterwille, Herzblut) (German Edition)
führte. Sie legte den Riegel um und
öffnete.
Aus dem Augenwinkel sah sie noch, wie Selma besänftigend eine
Hand auf den Arm ihres Dads legte. »Deine Tochter wird nun mal erwachsen.«
Heather drückte die Tür hinter sich zu. Mit einem Kribbeln
im Bauch trat sie auf die ersten goldenen Blätter dieses Spätsommertags. Die
Sonne blinzelte verheißungsvoll über dem Horizont. Und in der Dachrinne
schimpften Spatzen.
Sie atmete einmal kräftig durch. Dann sprintete sie die
Steintreppe hinunter und nahm den Plattenweg zur Straße.
»Welche Rekorde willst du heute brechen?«, fragte sie und
verkniff sich einen Gruß.
Moryn verzog einen Mundwinkel. »Kommt ganz darauf an.«
»Worauf?«
Er lief los, ohne zu antworten. Ihr blieb nichts anderes
übrig, als ihn wieder einzuholen. Schon bog er schräg rechts ab, verließ den
Pfad und lief quer durch den Wald.
Wenigstens die
Sonnenseite , tröstete Heather sich. Hohe Buchen und ein paar Tannen ließen
genügend Platz für die beiden Läufer. Es ging einen sanften Hügel hinauf, dann
wieder hinunter. Moryn sprang über einen wasserlosen Graben und hechtete den
nächsten Hügel hinauf. Oben blieb er kurz stehen. Er drehte sich nach ihr um.
Immerhin , dachte
sie. Abhängen wollte er sie dann wohl doch nicht. Dann hätte er ja niemanden mehr, den er quälen konnte. Kaum hatte
sie ihn eingeholt, lief er auch schon weiter.
Er kreuzte einen winzigen Trampelpfad und steuerte auf eine
Lichtung zu. Dort blieb er erneut stehen.
»Bist du warm gelaufen?«
»Warm? Wie kommst du denn darauf?«, japste sie.
Er runzelte die Stirn. »Okay, dann eben ein wenig langsamer.«
»Was du so langsam nennst«, murmelte sie.
Aber tatsächlich blieb er nun neben ihr.
»Geht doch schon besser!«, sagte er nach einer Weile. »Da
lang!« Er zeigte mit ausgestrecktem Arm auf einen festen Sandweg, der zwischen
Wiesen und Waldstücken an einem der Dörfer vorbei führte.
»Du musst gleichmäßiger atmen!«, mahnte er.
»Ach, atmen muss ich auch noch? Ich dachte hecheln genügt.«
Zu ihrer Überraschung blieb er stehen und bekam einen
Lachanfall.
»Waaas ist daran so witzig?«, rief Heather.
»Weiter!«, mahnte Moryn. »Nicht stehen bleiben! Du kommst sonst
aus dem Rhythmus raus.«
»Was war eben so witzig?«, schnaubte Heather. »Ich habe
keine Lust, für dich den Unterhaltungsclown zu spielen.«
»Nein, war nicht so gemeint.« Moryn lachte immer noch. »Aber
niemand hechelt so überzeugend wie du, und reißt dann auch noch Witze über
sich. Ehrlich. Ich mag deinen bitteren Humor. Auslachen wollte ich dich nicht.«
Oh, jetzt schwingt er
die Friedenspfeife. Bis zum nächsten Angriff. Wahrscheinlich gibt er gleich
wieder Gas, damit er mich hecheln hören kann. Heather hoffte inständig,
dass der Morgen bald vorbei wäre. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. In
ihren heimlichen Träumen sah alles ganz anders aus. Da ging sie mit ihm Hand in
Hand über eine Wiese …
»Müssen wir nicht bald zurück?«
»Nö, ist noch viel Zeit.« Moryn sah zum Himmel. Eine Uhr
brauchte er nicht. Sie wusste, dass sie ihm in diesen Dingen blind vertrauen
konnte. Die Elben rauschten jeden Morgen auf die Minute genau beim ersten
Gongschlag in der Schule an, obwohl keiner eine Uhr besaß.
»Noch ein Stück. Ich will dir etwas zeigen. Dann drehen wir
um«, versprach Moryn.
Was bei allen guten Geistern hatte er nun schon wieder vor?
Heather sah sich um. Hier war doch nichts. Vor ihnen lag der nächste Wald.
Moryn steuerte darauf zu, nahm einen kleinen Hügel, sprang über einen Bach und
blieb stehen.
»Spring!«
Bleibt mir wohl nichts
anderes übrig , dachte sie und nahm Anlauf. Der Fuß landete auf einem
rutschigen Stein. Sie verlor die Balance und sah sich bereits kopfüber in den
Bach klatschen. Aber Moryn hielt ihr die Hand hin, und sie griff im letzten
Moment zu. »Danke.«
Er zog sie ein Stück den Hügel hoch. »Ich dachte schon, du
kriegst nasse Füße«, murmelte er.
Spielte da schon wieder ein Grinsen um seine Mundwinkel?
Wütend biss sie die Zähne zusammen, während Moryn zielstrebig auf ein
sonnenbeschienenes Moosbett zusteuerte und sich dort hinlegte.
Sie zögerte.
»Worauf wartest du?«, forderte er sie auf, es ihm
gleichzutun. Abwartend legte er die Arme hinter den Kopf.
Sie machte es ihm in gebührendem Abstand nach.
»Was soll das werden?« Irritiert sah er sie an. »Ich wollte
nicht mit dir telefonieren. Also komm bitte ein Stück näher!«
Zögernd rückte sie näher.
»Ich
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