Welt im Fels
Centauri.«
Der Mann nickte, obwohl er weder den Versuch machte noch den Wunsch hatte zu verstehen, was Chimal meinte. Es war auch gleichgültig. Chimal sprach sowieso nur zu sich selbst; das schien er in letzter Zeit oft zu tun. Er humpelte langsam durch den Gang, und der Azteke folgte ihm.
»Wie gefällt den Leuten das neue Wasser, das durch die Röhren in die Dörfer fließt?« fragte Chimal.
»Es schmeckt anders«, sagte Matlal.
»Abgesehen von dem Geschmack«, sagte Chimal und seufzte, »ist es nicht leichter als früher, als ihr es aus dem Fluß schöpfen und zum Dorf tragen mußtet? Und habt ihr jetzt nicht mehr zu essen, und werden die Kranken jetzt nicht geheilt? Was ist damit?«
»Es ist anders. Manchmal ist es … nicht ganz recht, daß alles anders ist.«
Chimal erwartete nicht wirklich Lob, nicht von dieser bornierten konservativen Gesellschaft. Er würde sie trotzdem gesund und gut ernährt halten. Um ihrer Kinder, wenn schon nicht um ihrer selbst willen. Er würde den Azteken bei sich behalten, als Auskunftsquelle, wenn schon aus keinem anderen Grund. Er hatte keine Zeit, die Leute im Tal persönlich zu beobachten. Er hatte Matlal, den stärksten Mann im Tal, als Leibwächter mitgenommen. Jetzt war kein Schutz mehr nötig, aber er würde ihn als Informanten bei sich behalten.
Nicht daß er Gewalt hätte befürchten müssen. Die Beobachter waren von den Ereignissen genauso überrascht und benommen gewesen wie die Leute im Tal. Als die ersten Azteken durch den Schlamm gewatet und über die eingestürzten Felsen geklettert kamen, standen sie nur wie betäubt herum. Die beiden Gruppen hatten sich getroffen und waren aneinander vorbeigegangen, nicht fähig, die Gegenwart des anderen zu begreifen. Die Disziplin war erst wieder hergestellt worden, als Chimal den Chefobservator aufgesucht und ihm das Handbuch für den Tag der Ankunft übergeben hatte. Dem alten Mann war keine andere Wahl geblieben. Er hatte das Buch genommen und den ersten Befehl erteilt. Der Tag der Ankunft hatte begonnen.
Disziplin und Ordnung hatte die Beobachter aufgerüttelt und sie mit einer ungewohnten Vitalität durchdrungen. Jetzt und hier, in ihrer Lebenszeit, erfüllten sie das Versprechen, für das Generationen ausgebildet worden waren. Wenn die Observatoren bedauerten, daß die Zeit des Beobachtens vorbei war, die einfachen Gehilfen und Wächter teilten dieses Bedauern nicht. Sie schienen zum erstenmal richtig lebendig zu werden.
Währenddessen befahl ihnen der Chefobservator, was sie zu tun hatten. Es gab Regeln und Handbücher für alles, und sie wurden befolgt. Er hatte das Kommando, und Chimal stellte das nie in Frage. Doch Chimal wußte, daß die ersten Seiten in dem Handbuch für den Tag der Ankunft, das der alte Mann ständig mit sich trug, für immer mit seinem Blut befleckt waren. Das genügte ihm. Er hatte das Notwendige getan.
Als er an der Tür zu einem der Klassenräume vorbeikam, schaute Chimal hinein und sah einige Dorfbewohner über die Lernmaschinen gebeugt sitzen. Sie taten sich hart und verstanden nur wenig von dem, was ihnen gezeigt wurde. Das machte aber nichts; die Maschinen waren nicht für sie bestimmt. Das Beste, das erwartet werden konnte, war eine Verminderung der furchtbaren Unwissenheit, in der sie bisher gelebt hatten. Leichteres Leben, bessere Bedingungen. Sie brauchten Zufriedenheit und Gesundheit, als die Eltern der nächsten Generation. Die Maschinen waren für die Kinder – sie würden etwas mit ihnen anzufangen wissen.
Weiter unten waren die Kinderstationen. Sie waren noch leer – aber bereit. Ebenso die Entbindungsstationen, aber es würde nicht mehr allzu lange dauern, bis sie gebraucht würden.
Es erhob sich nicht ein Protest, als die dröhnenden Stimmen der Lautsprecher im Tal das Verbot der Mischehen aufhoben. Es hatte sich in letzter Zeit so viel verändert, daß sein Volk alles akzeptierte, auch wenn es das meiste nicht verstand.
Es bewegte sich etwas in dem Raum, und Chimal drehte sich um und sah durch das Fenster Wachmann Steel auf einem Stuhl an der Rückwand sitzen.
»Geh und hole etwas zu essen, Matlal!« befahl er. »Ich komme bald hinunter. Bring diese Sachen in mein Quartier!«
Der Mann hob automatisch die Hand zu einer ehrerbietigen Geste, wie vor einem Priester, bevor er ging. Chimal konnte es ihm nicht abgewöhnen. Dann ging er in den Nebenraum und setzte sich müde dem Mädchen gegenüber. Er hatte schwer gearbeitet, seit der Chefobservator ihm die Berechnung
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