Welten-Reise
gleich alt, von gleichem Rang und ähnlich hübsch waren. Nada war nur halbmenschlich, aber sie behielt aus Höflichkeit ihre menschliche Form bei, wenn sie sich in Schloß Roogna aufhielt. Prinzessinnen mußten lernen, höflich zu sein, weil Prinzen es ganz bestimmt nicht waren.
»Nada!« rief Ivy. »Ich brauche ganz schnell einen Vorwand.«
Nada richtete sich im Bett auf und zog die Nase kraus. »Ich weiß, ich rieche es auch. Ich werde dich begleiten.«
»Natürlich! Aber wohin?«
Nada konzentrierte sich. »Haben wir schon den Spiegel gefragt?«
»Den Zauberspiegel haben wir doch gar nicht mehr!« erinnerte Ivy sie. »Com-Puter hat ihn letztes Jahr bekommen und wollte ihn nicht mehr zurückgeben!«
»Ja. Darum…«
»Darum müssen wir losgehen und ihn uns einfach wieder holen!« ergänzte Ivy. »Weil ich ihn brauche, wenn ich den Himmelstaler benutze!«
»Genau. Außer…«
»Ich weiß. Außer… Com-Puter wird ihn uns nicht kampflos überlassen, und du weißt doch, er kämpft mit schmutzigen Tricks. Aber es ist immer noch eine perfekte Entschuldigung, wenn wir nur einen Weg hinaus finden können.«
»Vielleicht hat Electra…«
»Das ist richtig! Sie könnte Puter so erschrecken, daß er den Zauberspiegel herausrückt.«
Electra erschien in der Tür. »Hat jemand meinen Namen g e nannt?« fragte sie schläfrig. Sie war ein sommersprossiges Kind, dessen Haar sich ein wenig kräuselte. Ihre Augen hatten die Farbe des Erstaunens, und Lachfalten umrahmten ihre Knopfnase. Ke i ner würde bei ihrem Anblick an eine tragische Liebesgeschichte denken.
»Zora bohnert die Treppen! Hilf uns, den Zauberspiegel von Com-Puter zu holen!«
»Ach, das habe ich gerochen! Laßt mir eine Minute zum Anzi e hen!«
Es gab eine Balgerei, als die drei sich ordentliche Kleidung anz o gen. Dann waren sie fertig: Die beiden Prinzessinnen trugen Kle i der und warfen Electra in ihren Regenbogenjeans neidische Blicke zu. Sie war von einfachem Stand und konnte es sich erlauben, praktische Kleider zu tragen.
Schnell durchquerten sie die Halle bis zum hinteren Treppe n haus und achteten sorgsam darauf, nicht auf das Bohnerwachs zu treten. Unglücklicherweise führte sie das jedoch an Dolphs Zi m mer vorbei. Er hatte so scharfe Ohren wie ein Werwolf, vielleicht, weil er zum Schlafen im allgemeinen die Gestalt eines Wolfes a n nahm. Seine Tür flog mit einem Knall auf. »He, wo geht ihr hin?« rief er. »Macht ihr euch wieder mal davon?«
Nada und Electra schwiegen: Nada deshalb, weil sie seine G e fühle nicht verletzen wollte, und Electra, weil sie in ihn verliebt war. Beide waren natürlich mit ihm verlobt, obwohl er erst zwölf war. Gleich würde Electra ihn einladen mitzukommen, weil sie ihm immer nahe sein wollte.
Um das zu verhindern, mischte sich Ivy ein. »Wir brechen auf, um den Zauberspiegel von Com-Puter zu holen, weil ich ihn bra u che, wenn ich den Himmelstaler benutzen will«, sagte sie. »Dann können wir herausfinden, wo sich der gute Magier Humfrey befi n det, und deine Suche schließlich vollenden.«
»Aber Mutter läßt euch nicht…« begann er vernünftig.
»Deshalb mußt du uns Deckung geben!« schloß Ivy. »Tschüs!«
Er schien noch Zweifel zu haben. Aber Nada trat vor und hauchte ihm einen Kuß auf seine Wange. »Oh, sicher«, sagte er. Natürlich war er wie Wachs in ihren Händen, obwohl er wußte, daß sie ihn nicht liebte. Er nahm seine Zombiegestalt an und ging den Weg zurück, den sie gekommen waren. Zombies störten sich nicht am Geruch von Bohnerwachs, und daher konnte er die Treppe trotz Zoras Untat überwinden.
Sie setzten ihre Flucht fort, bis sie meinten, vom Schloß weit g e nug entfernt zu sein. Was immer Dolph unternommen hatte, mu ß te gereicht haben, denn niemand versuchte, sie aufzuhalten. Ivy pfiff nach Stanley, und im nächsten Augenblick schwang sich der Drache um das Schloß und begleitete sie. Er war jetzt fast ausg e wachsen und würde bald zur Spalte aufbrechen müssen, denn se i ne Aufgabe war es zu wachen. Ivy würde traurig sein, wenn er sie verließ, aber sie wußte, daß es bei ihr selbst genau das gleiche war: mit dem Alter wachsen die Aufgaben. Bis dahin aber war er der perfekte Beschützer. Sie hatten keine Angst vor wilden Ungehe u ern, solange sie sich in Begleitung dieses zahmen befanden.
Während sie den Obstgarten durchquerten, griffen sie sich einige Früchte, die sie noch im Laufen aßen. Dann erreichten sie den Hauptpfad, der nach Norden führte. Immer wieder
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