Welten-Reise
neunhundert – und hatte während all dieser Jahrhunderte geschlafen, bis Dolph sie wachgeküßt hatte. Daher war ihr physisches Alter fünfzehn, sie sah jedoch aus, als wäre sie gerade erst zwölf. Tatsächlich war sie bei all den Dingen, die zählten, noch ein Kind, außer was den Zauberspruch betraf, der sie in Dolph verliebt gemacht hatte. Aber gerade wegen dieses Zauberspruchs verstand sie etwas von der Liebe und verfügte über eine lebhafte Neugier auf diesem Gebiet.
»Doch, das habe ich«, sagte Ivy, als sie sich erinnerte. »Ich kannte einmal Hugo, den Sohn des Guten Magiers. Er war fünf Jahre älter als ich.«
»Richtig herum!« sagte Nada. Sie alle wußten, daß ein Junge ein Mädchen lieben konnte, das fünf Jahre jünger war, aber ein Mä d chen konnte keinen fünf Jahre jüngeren Jungen lieben. Genau dies war Nadas Not, denn sie konnte zwar Dolph heiraten, wenn die Zeit gekommen war, konnte ihn aber niemals lieben.
»Oh«, sagte Electra verstehend. »Und als dann der Gute Magier verschwunden war, verschwand auch sein Sohn.«
»Ja. Hugo war nichts Besonderes, aber er war nett und konnte Früchte zaubern. Leider zauberte er für gewöhnlich nur verfaulte Früchte.«
»Verfaulte Früchte!« rief Electra lachend. Sie pickte eine Kirsche aus ihrer Pastete und warf sie nach Ivy. »Hier kannst du auch ve r faulte Früchte haben!«
»Ach, so ist das also!« schrie Ivy in gespieltem Zorn. Sie riß ein Stückchen Pfirsich aus ihrer Pastete und warf sie nach Electra. »Du kannst selber etwas von meiner Pastete haben!« Aber Electra duc k te sich in kindlicher Pfiffigkeit, so daß das Stück Nada traf.
»Oho!« sagte Nada, die gerade eine Zitronenschaumpastete aß. Da es keine Zitronenstückchen zum Werfen gab, warf sie statt dessen mit Schaum.
Sofort waren sie in ihrem absoluten Lieblingssport vertieft: eine Tortenschlacht. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund wurde dies im Schloß nicht gerade gerne gesehen, und so war dies nun eine Gelegenheit, die man auf keinen Fall versäumen durfte. Als Stanley zurückkehrte, waren alle drei von oben bis unten völlig bekleckert. Der Drache bot ihnen an, sie sauberzulecken, aber schon das erste Lecken löste bei Electra solche Kitzelschauer aus, daß sie alle in haltloses Gelächter ausbrachen.
Glücklicherweise gab es in der Nähe eine heiße Quelle. Die drei sprangen hinein und fingen sofort mit lautem Gekreische eine wilde Wasserschlacht an. Währenddessen umkreiste sie Stanley, um sie mit seinem Dampf trocken zu blasen. Wenn er nicht gew e sen wäre, hätten die vielversprechenden Geräusche der kreische n den Nymphen sämtliche Wegelagerer der gesamten Gegend he r beigelockt.
Es machte Spaß, ein Mädchen zu sein.
Zur Nacht kampierten sie in einem Kissennest innerhalb des Kre i ses, den Stanley bildete, der sich um sie herumringelte und den eigenen Schwanz im Maul hielt. Ivy hatte ihm die Geschichte von Uroborus erzählt, der riesigen Schlange, die sich um die Welt Mundania wand (die allem Anschein nach rund war) und sich in ihren eigenen Schwanz biß. Stanley gefiel dieses Bild, weswegen er nun selbst stets auf diese Weise schlief. Er war zwar lang, aber doch nicht so lang, daß er hoffen konnte, die Welt zu umschließen. Am nächsten Morgen brachen sie früh auf.
Wenn sie keine Lust mehr hatten zu laufen, ritten sie abwec h selnd auf Stanley. Es war eine besondere Kunst, sich oben zu ha l ten, während er davonstampfte. Aber sie hatten ja Zeit, es zu üben. Der Reiter sackte bei jedem Schritt nach unten, wurde dann wieder hochgehoben, um im nächsten Moment erneut hinunterzufallen. Iieeh! Electra machte es besonders viel Spaß, denn sie hatte keine Hemmungen, sich ihren kindlichen Einfällen hinzugeben. Ivy und Nada hingegen waren reifer (und trugen Kleider) und mußten d a her so tun, als sei das alles wirklich nicht so außergewöhnlich.
Als sie sich Com-Puters Höhle näherten, machten sie halt, um sich zu beraten.
»Ob wir versuchen sollten, unsere Identität vor ihm zu verbe r gen?« fragte Ivy. In Wirklichkeit war Com-Puter ein ›Es‹, aber es war leichter, das Böse männlich zu umschreiben, deshalb nannten sie es ›er‹.
»Er läßt sich so nicht täuschen«, entgegnete Nada. »Er wird wi s sen, daß wir nicht hergekommen sind, nur um zu kichern.«
»Aber vielleicht können wir unsere Fähigkeiten verbergen…«
Nada zuckte mit den Schultern. »Wir können es versuchen. Aber ich glaube nicht, daß es funktionieren wird. Er wird
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