Welten - Roman
Gestalten, die irgendwie seltsam wirken oder merkwürdig gekleidet sind, nach Wohnmobilen mit dunkel getönten Scheiben, nach Villen, deren Mieter die Einheimischen noch nie zu Gesicht gekriegt haben, nach Jachten, deren Deck immer leer ist.«
Er starrt sie eine Weile an. »Verdammt, meinst du das wirklich ernst?«
»Außerdem brauchst du eine neue Identität. Es gibt Kreise, die dich gern verschwinden lassen würden. Und nicht irgendwann, sondern heute, jetzt. Gerade vorhin sind wir auf dem Gehsteig an so einer Frau vorbeigekommen, die den Auftrag dazu hatte.«
Er sieht sich um. »Soll das ein Witz sein? Wo ist die Kamera?«
»Kein Witz, Michael.« Sie fasst ihn um die Handgelenke. »Nur um dir zu zeigen, wie sie dich verschwinden lassen würden. Keine Sorge, ich bring dich zurück.«
…
»Heilige Scheiße!«
ADRIAN
Nach der ganzen Affäre ist Adrian verwirrt und leicht paranoid. Wieder zurück in good old England ist er so verunsichert, dass er alles verkauft. Auf diese Weise gelingt es ihm,
fast seinen ganzen Besitz abzustoßen, nur wenige Tage bevor Lehman Brothers kollabiert und der gesamte Finanzmarkt wild rudernd den ersten von mehreren Steilhängen hinuntersegelt. Sogleich erkennt er darin ein Zeichen seiner unbesiegbaren Überlegenheit und seines unbegrenzten Glücks. Und so beschließt er, dort zu wohnen, wo sein Geld liegt, und kauft sich eine Villa auf Grand Cayman, der größten Kaiman-Insel südlich von Kuba.
Die Kaiman-Inseln sind ein richtiges Tropenparadies mit aquamarinblauem, kristallklarem Wasser, Palmen, goldenen Stränden und allem, was sonst noch so dazugehört. Aber sie sind auch sehr unwettergefährdet. Im Sommer 2009 hört Adrian, dass ein großer Hurrikan im Anrollen ist. Die meisten Reichen fliegen einfach ein paar Tage in eine zuträglichere Gegend,doch er meint,dass er mal einen echten Hurrikan erleben möchte. Immerhin ist er unbesiegbar.
Er erfährt, dass die Villa beim letzten Wirbelsturm der Kategorie 5 überschwemmt wurde. Nachdem er mühsam noch jemanden aufgetrieben hat, der sich um das Haus kümmert - wofür bezahlt man die Leute schließlich? -, mietet er sich von einem Freund einen alten Lieferwagen und belädt ihn mit allem aus der Villa, was er tragen kann: Fernseher, Computer, Hi-Fi-Anlage, Tauchausrüstung, Teppiche, Designermöbel, mehrere Benin-Bronzeplastiken, zwei lebensgroße Terrakotta-Krieger, verschiedene Gemälde und so weiter. Er muss sich ziemlich abrackern, aber er ist sich sicher, dass sich die Mühe lohnt. Er parkt auf einer erhöhten Stelle gleich hinter einem robust wirkenden Wasserturm am Rand von George Town. Dort sitzt er in der Sturmnacht, während um ihn herum alles kreischt und der Wagen mit seinen kaputten, völlig überlasteten Federn gnadenlos durchgerüttelt wird.
Die ganze Nacht schaut ihm einer der Terrakotta-Krieger, der gleich hinter dem Fahrersitz steht, mit unergründlichem Ausdruck über die Schulter, und Adrian vermag nicht zu entscheiden, ob es ein Todes- oder ein Schutzengel ist. Das Beunruhigende ist, dass man sich bei der Firma, die die Figuren herstellt, aussuchen konnte, welches Gesicht man wollte. Adrian hat sich bei beiden für sein Spiegelbild entschieden und hat jetzt eine versteinerte Version seiner selbst im Nacken.
Im Lauf der Nacht gibt der Wasserturm ein entsetzliches Ächzen und Stöhnen von sich und jagt Adrian eine Höllenangst ein. Aber der Turm stürzt nicht ein und übersteht das Unwetter unbeschädigt.
Nachdem sich der Hurrikan verzogen hat, fährt er am nächsten Nachmittag auf der laub- und schuttübersäten Straße zurück und stellt fest, dass die Villa nicht überschwemmt wurde und auch sonst fast keinen Kratzer abbekommen hat. Wieder einmal hat sich sein Glück bewährt, und er ist immer noch unbesiegbar. Grinsend tätschelt er dem Terracotta-Krieger die Wange: also doch ein Schutzengel. Aber als er dann vor Begeisterung brüllend und grölend weiterfährt, verliert er die Kontrolle über den Wagen und kracht in einen Graben.
Dabei rutschen all seine Besitztümer von hinten nach vorn und zermalmen ihn mit ihrem Gewicht.
BISQUITINE
Bisquitine bleibt die Kaiserin ihres Reichs, so wie sie es immer gewesen ist.
DER WELTENWECHSLER
Na schön, das mit dem normalen, ruhigen Leben war gelogen. Ich bin eben unzuverlässig. Und es war auch kein Reh, Fuchs oder anderes Getier im Spiel. Ich war der Einzige, der ins Geschehen eingriff, ich war es, der kurz in seinen Kopf sprang. Lang genug, um den Gurt des
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