Weltkrieg der Waehrungen
Verbindlichkeiten einen am Ende verhängnisvollen politischen und wirtschaftlichen Kreislauf in Gang. Siegreich, aber hochverschuldet zwangen die Entente-Mächte dem Deutschen Reich, das sie im Versailler Vertrag zum Hauptschuldigen des Krieges gebrandmarkt hatten, hohe Kompensationen auf. Es war die Finanzmacht des Dollar, die den Krieg für die Alliierten mitgewann.
Die Reparationsleistungen, denen sich Deutschland unterwerfen musste, beliefen sich am Ende auf 132 Milliarden Mark. Das überstieg die Leistungsfähigkeit der ausgebluteten deutschen Volkswirtschaft. Die Alliierten bestanden jedoch aus prinzipiellen politischen Gründen darauf, dass Berlin für sämtliche Kriegsschäden aufkommen müsse. »Le boche payera tout«, hieà es in Paris. Der Deutsche wird alles zahlen. Gleichzeitig hatten sie die Reichsregierung nicht ganz ohne Grund in Verdacht, die wirtschaftliche Lage im Land bewusst eskalieren zu lassen, um sich mit dieser politischen Finte der Reparationen zu entledigen. Die Lösung hätte in einem Schuldenmoratorium liegen können. Im nationalistisch aufgeheizten Klima der Zwanzigerjahre erklärte sich dazu jedoch keiner der Gläubiger bereit. Auch die Amerikaner waren, zumindest in den ersten Jahren nach dem Krieg, keineswegs willens, auf einen Teil ihrer Forderungen zu verzichten. »They hired the money, didnât they?« Sie haben sich das Geld doch bei uns geliehen, oder etwa nicht?, wies US-Präsident Calvin Coolidge eine entsprechende Anfrage brüsk ab. 14
Dollarsonne über Europa
SchlieÃlich verfielen die Konfliktparteien mit dem Dawes-Plan von 1924 auf einen Kunstgriff, der im Nachhinein absurd anmutet: Amerika stellte den Deutschen Kredite zur Verfügung, mit denen sie ihrerseits die Reparationen (deren Zahlung gestreckt wurde) begleichen konnten. Aus den von Deutschland geleisteten Wiedergutmachungen bedienten die Alliierten ihre Raten an amerikanische Banken. Das nach New York zurückflieÃende Geld streckten sich die USA gleichsam selbst vor. Es war die vielleicht erste Form von groÃangelegtem Dollar-Recycling im 20. Jahrhundert, aber beileibe nicht die letzte. Nach der Stabilisierung der europäischen Volkswirtschaften Mitte der Zwanziger flossen auch private Gelder im groÃen Stil von der Neuen in die Alte Welt. Geliehenes Kapital ermöglichte es so mancher deutschen Kommune, ein Stadttheater oder ein Sportstadion zu errichten. Amerikanische Dollars lieÃen die Goldenen Zwanziger Jahre in Europa erst glänzen. Der Kontinent strahlt im Licht der »Dollarsonne«, wie es in einem zeitgenössischen Bonmot hieÃ. Doch der Glanz war so schnell vorbei, wie er begonnen hatte. Denn das Kapital war schon damals stets hektisch auf der Suche nach der höheren Rendite. Die aber lockte ab 1927 mehr und mehr an der Wall Street, die sich in einem noch nie dagewesenen Höhenflug befand. Wie ein Magnet zog die groÃe Spekulationsmaschine das Geld an. Die amerikanische Notenbank Federal Reserve sah keine andere Möglichkeit, als die Leitzinsen zu erhöhen und das Geld damit weiter zu verknappen. Die Folgen für Europa und vor allem für das durch die Reparationen geschwächte Deutschland sollten katastrophal sein.
Es war das gleiche Spiel wie immer, wenn kurzfristige Kredite in langfristigen Projekten angelegt werden. Rund ein Drittel der drei Milliarden Dollar, die sich deutsche Schuldner zwischen 1924 und 1928 geliehen hatten, waren »heiÃes Geld«, also von einem auf den anderen Moment kündbare Darlehen. Als der Wind an der Wall Street drehte und Europa nicht mehr »angesagt« war, wurden die Kredite zurückgefordert. Zahlreichen Schuldnern drohte nun der Konkurs, weil sie auf die Schnelle nicht genügend Liquidität aufbringen konnten.
An der Wende zum Schicksalsjahr 1929 befanden sich die amerikanische Wirtschaft und Börse in euphorischer Stimmung. Es war die Zeit, als Ãkonomen von einer neuen Ãra sprachen, die »ein dauerhaft hohes Aktienmarktniveau« rechtfertige. Es war die Zeit, als Forderungen wie »Jedermann sollte reich sein« in den Ohren der Zeitgenossen nicht absurd klangen. Doch während Amerika noch in Träumen von ewigem Massenwohlstand schwelgte, waren die »Goldenen Zwanziger« in weiten Teilen Europas schon am Schwinden. Die deutsche Ãkonomie war bereits Anfang 1929 in die Rezession gerutscht. Hochverschuldet und finanziell geschwächt, wie
Weitere Kostenlose Bücher