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Weltkrieg der Waehrungen

Weltkrieg der Waehrungen

Titel: Weltkrieg der Waehrungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel D. Eckert
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vor einer schweren Entscheidung: Sollte man sich mit der kriegsbedingten Inflationierung des Pfundes abfinden oder versuchen, einen Teil der Abwertung wieder rückgängig zu machen? Konzessionen an die Politik des weichen Geldes würden die Arbeitnehmer und Unternehmen der Exportindustrie begünstigen, die damals noch einen nennenswerten Anteil an der britischen Wirtschaftsleistung hatte. Ein Zurückdrehen der Inflation würde wiederum das Vertrauen all jener Anleger auf dem Globus stärken, die ihr Vermögen in britischen Wertpapieren angelegt hatten. Der Gradmesser für das Pfund war der Goldpreis und damit indirekt der Dollarkurs. Anders als den weitaus tiefer ins Defizit gerutschten Europäern war es den Amerikanern gelungen, die Gold-Bindung ihrer Währung über den Abgrund des Krieges hinweg aufrechtzuerhalten.
    Vor dem Krieg hatten 4,86 Dollar einem Pfund entsprochen. Dieses Umtauschverhältnis war den Zeitgenossen wie gottgegeben erschienen. »Old Lady of Threadneedle Street« wurde die Bank of England wegen ihres hohen Alters und ihres Sitzes in der vornehmen Straße respektvoll genannt. Jetzt war die Old Lady gefordert. Wollte die Notenbank ein kraftvolles Zeichen setzen, dass der Sterling sich von den Folgen des Weltbrands erholt hatte, so musste nicht nur der Goldstandard wiederhergestellt werden, sondern das auch zur alten Parität. Für London repräsentierte der Pfund-Kurs weit mehr als nur eine wirtschaftliche Größe. Da sich Glanz und Gloria des Empire in der Festigkeit seiner Finanzen ausdrückten, war der Goldgehalt des Sterling von nicht zu unterschätzendem symbolischen Wert. Eine souveräne Rückkehr zum alten Kurs würde signalisieren: Das Vereinigte Königreich ist unversehrt aus dem Krieg hervorgegangen.
    Gleichzeitig war unübersehbar, dass die englische Ökonomie dringend einen monetären Schub brauchen konnte. Bereits vor 1918 war das Mutterland der Industrialisierung auf vielen Gebieten von aufstrebenden Konkurrenten überholt worden. Neue Wirtschaftszweige wie der Automobilbau oder die Chemie- und Elektrobranche wurden eher von den Vereinigten Staaten oder von Großbritanniens kontinentalen Konkurrenten Deutschland und Frankreich dominiert. In traditionellen Branchen wie der Textilindustrie hatte das Vereinigte Königreich langsam, aber sicher an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Eine Fixierung des Pfund-Kurses auf zu hohem Niveau würde diesen unbefriedigenden Zustand zementieren und in der Folge die Gefahr von Arbeitslosigkeit, von Streiks und sozialen Unruhen erhöhen. All das hatte das Vereinigte Königreich in den frühen Zwanzigerjahren bereits erlebt.
    Sollte Großbritannien zu Vorkriegsbedingungen zum Goldstandard zurückkehren? Die politische Elite des Landes war tief zerstritten über diese Frage. Lange wurde diskutiert, lange wurde die Entscheidung aufgeschoben. Die Würfel fielen 1925 bei einem denkwürdigen Abendessen im Haus Winston Churchills, der kurz zuvor überraschend zum neuen britischen Schatzkanzler ernannt worden war. Nach Anhörung beider Positionen entschied Churchill, dass er seinem Vaterland am besten diene, indem er das Pfund zu den alten Konditionen wieder ans Gold kettete. Die mächtigen Anhänger des Edelmetallstandards jubilierten. Einer von ihnen, der sonst eher zurückhaltende Chef der Bank of England, Montagu Norman, verstieg sich sogar zu dem Ausruf: »Ich mache Sie zum goldenen Kanzler!« 15 Churchills Votum war eine Bauchentscheidung. Sie sollte sich, wie er später selbst einräumte, als der größte Fehler seines Lebens herausstellen.
Vom Goldstandard zum Währungskrieg
    Die Rückkehr zum Kurs von 4,86 Dollar je Pfund hatte fatale Folgen. Es bedeutete, dass das britische Geld gemessen an der Kaufkraft überbewertet war. Um einen Goldabfluss von London nach New York zu verhindern, mussten die Zinsen im Vereinigten Königreich fortan tendenziell höher sein als in den USA. Selbst in den guten Zeiten setzte das die kränkelnde britische Ökonomie einem permanenten Finanz-Stress aus. Und es wurde schlimmer: Die Weltwirtschaftskrise entfesselte in den frühen Dreißigerjahren Kräfte, die die Stützung des Pfund zu einem Ding der Unmöglichkeit machten. Selbst die Bank of England konnte sich diesen Gewalten nicht entgegenstemmen.
    London verzeichnete einen Aderlass seiner Goldreserven und sah im Herbst 1931 keine

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