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Weltkrieg der Waehrungen

Weltkrieg der Waehrungen

Titel: Weltkrieg der Waehrungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel D. Eckert
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andere Wahl, als dem erst sechs Jahre zuvor wiedereingeführten Edelmetallstandard den Rücken zu kehren. Die Nachricht schlug weltweit ein wie eine Bombe. Viele, die sich auf Londons Festhalten am Gold verlassen hatten, traf die überraschende Entscheidung wie ein Schlag ins Gesicht. Dazu zählten die niederländischen Währungshüter. Noch tags zuvor hatte ihnen die Bank of England versichert, die Parität sei unverrückbar. Als am nächsten Morgen der Handel mit dem vom Gold losgelösten Pfund begann, sackte der Kurs in die Tiefe – und mit ihm der Wert der holländischen Devisenreserven, die zum Großteil aus Sterling bestanden. 17 Die Niederländer waren nicht die Einzigen, die sich verraten fühlten: Mit dem Ausscheren Londons aus dem Goldsystem brach das monetäre Chaos aus. Die an der Edelmetalldeckung und damit der Politik des harten Geldes festhaltenden Franzosen und Amerikaner sahen sich um ihre Wettbewerbsvorteile betrogen. Nun lastete der Druck auf ihren Ökonomien und Währungen.
    In den folgenden Jahren sollten auch sie gezwungen sein, der Gold-Konvertibilität den Rücken zu kehren: 1933 die USA und 1937 schließlich Frankreich – als letztes großes Land. Die erste Hälfte der Dreißigerjahre sah eine grimmige neue Dimension der Währungspolitik: Jede Nation versuchte, durch Abwertung und ergänzende protektionistische Maßnahmen die heimische Industrie zu schützen. »Beggar thy neighbour« – schröpfe deinen Nachbarn, war die Devise. Später bildeten sich um die großen Mächte Währungsblöcke, die sich mittels Kapitalverkehrskontrollen gegeneinander abschotteten. Die Welt zerfiel in Währungs- und Handelszonen, die sich unfreundlich gegenüberstanden.
    Einer dieser Blöcke war die mitteleuropäische Zone, die sich um das 1933 nationalsozialistisch gewordene Deutsche Reich gruppierte. Ein anderer war der Pfund-Block, der Großbritannien, seine weiß besiedelten Dominions und seine sonstigen Kolonien umfasste. Auch Frankreich konnte sich auf seine kolonialen Territorien und wirtschaftlich abhängigen Gebiete stützen. Und natürlich gab es die zunehmend an Bedeutung gewinnende Dollar-Sphäre. Der Zerfall des weltweiten Währungssystems war ein Ausfluss des Protektionismus und des Wirtschaftsnationalismus, deren Keim in der Kriegs- und Nachkriegszeit gelegt worden war. Nach dem Ende der relativ guten Jahre von 1924 bis 1929 begann diese Saat zu wuchern. Die offenen Güter- und Kapitalmärkte aus der Zeit vor 1914, die in Teilen in die Zwanzigerjahre hinübergerettet werden konnten, gab es nicht mehr. Die Dreißigerjahre brachten eine Generalmobilmachung auf dem Feld der Zölle und Devisen, der am Ende des Jahrzehnts eine Generalmobilmachung mit Panzern und Bombern folgte. Der Zweite Weltkrieg war auch durch einen Weltkrieg der Währungen vorbereitet worden.
    Nach 1945 sollten die politischen Führer der freien Welt viel Energie darauf verwenden, diese gegenseitige Abkapselung der kapitalistischen Volkswirtschaften zu durchbrechen. Erst in den Neunzigerjahren des 20. Jahrhunderts erreichte der internationale Handel wieder einen Grad an Globalisierung, der mit dem vor 1929 vergleichbar war.

3. Der Dollar auf dem Zenit seiner Macht
Ein kleiner Ort in Neuengland
    Während auf Europas Schlachtfeldern noch gekämpft wurde, trafen sich die Vertreter von 44 Nationen im Juli 1944 in Bretton Woods, einem Ferienort im US-Bundesstaat New Hampshire, um eine neue finanzielle Nachkriegsordnung zu schmieden. Allein die Wahl des Tagungsortes in Neuengland zeigte die neue Machtverteilung auf dem Globus. Die ehedem Europa-zentrierte Welt hatte binnen einer Generation einem von Amerika dominierten System Platz gemacht: Das »amerikanische Jahrhundert« war angebrochen.
    Die Delegierten im Mount Washington Hotel sahen sich mit einer Herkulesaufgabe konfrontiert: Auch auf monetärem Gebiet galt es, den größten Wiederaufbau der Geschichte zu bewerkstelligen. Durch Krieg und Besatzung waren fast alle großen Währungen der Welt zerrüttet – mit Ausnahme des Dollar, der im 20. Jahrhundert nun schon zum zweiten Mal zum Nutznießer eines Weltenbrands wurde. Zudem war das internationale System voller Schlacke aus der Vorkriegszeit. Die Abgesandten waren darauf bedacht, die beiden Extreme der Zwischenkriegszeit zu vermeiden: Weder das Chaos der Zwanzigerjahre noch die

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