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Weltkrieg der Waehrungen

Weltkrieg der Waehrungen

Titel: Weltkrieg der Waehrungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel D. Eckert
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aus der Perspektive des Jahres 1992 auch präsentieren mochte, intakt. Bald schöpften die Anhänger einer Gemeinschaftswährung neue Kraft. Sie trösteten sich mit der Formel, dass in den Jahren 1992/93 extreme Bedingungen geherrscht hätten. Das ganze Chaos resultierte aus der deutschen Vereinigung und der Hochzinspolitik der Bundesbank. Ja, es wurde sogar argumentiert, dass Turbulenzen wie die von 1992 durch das gemeinsame Geld unmöglich gemacht werden würden. Die Reise in Richtung Einheitswährung wurde fortgesetzt. Jetzt erst recht, volle Kraft voraus.
Die schöne Mär von der Konvergenz
    Brüssel wäre nicht Brüssel, hätte sein riesiger Apparat nicht zahlreiche Beweggründe für die Einführung des Euro gefunden, die die Skeptiker überzeugen und die Kritiker besänftigen sollten. Die gemeinsame Währung würde den Binnenmarkt vertiefen, die Kostentransparenz für Verbraucher erhöhen, die Exportindustrie stärken und die Finanzierungskosten senken. All diese Argumente klangen plausibel und sind es. Doch die positiven Effekte würden sich nur dann zum Nutzen Europas entfalten, wenn der Währungsraum hinreichend einheitlich war. Ohne diese Voraussetzung konnte aus dem Vorteil leicht ein Nachteil werden. Denn mit dem veränderlichen Wechselkurs geht eine entscheidende Stellschraube verloren, volkswirtschaftliche Ungleichgewichte zu regulieren.
    Nach der Abschaffung nationaler Währungen kann zum Beispiel das Wachstums- und Produktivitätsgefälle zwischen so verschiedenen Volkswirtschaften wie Deutschland und Griechenland nicht mehr so leicht durch eine Abwertung der Drachme ausgeglichen werden. Auch Handelsdefizite oder -überschüsse sind schwerer zu adressieren. Die Zentralbank steht vor der Herkulesaufgabe, eine Geldpolitik zu machen, die den Flexiblen und den Trägen, den Großen und Kleinen, den Jungen und Alten in ihrer Obhut gleichermaßen gerecht wird. Dieser Verlust an ökonomischen Freiheitsgraden ist nicht so leicht zu beziffern wie die Ersparnisse durch wegfallende Devisentauschgeschäfte. Doch in Extremsituationen können ein Fehlen oder Vorhandensein dieser Freiheitsgrade existenziell sein. Ohne das Ventil besteht die Gefahr, dass der ganze Kessel platzt – wie die Finanzkrise später zeigen sollte.
    Trotz dieser Bedenken gewann die europäische Währung in den Neunzigerjahren eine zunehmende Akzeptanz in der Bevölkerung, wenngleich die Zustimmungsquote in Deutschland nicht in die Nähe einer klaren Mehrheit kam. Diese überraschende Popularität hatte mehrere Gründe. Beim Treffen des Europäischen Rats im Dezember 1995 erhielt das gemeinsame Geld einen Namen. Entgegen zwischenzeitlich kursierender Ideen wie Franken, Ecu oder Kronen entschieden sich Europapolitiker am Ende für einen Vorschlag des deutschen Finanzministers Theo Waigel: »Euro« sollte die Einheitswährung heißen. Nun wurde den Europäern bewusst, dass es ernst wurde. Wissend, was in der Frage auf dem Spiel stand, warfen die EU-Staatsmänner ihr politisches Gewicht in die Waagschale, um das Projekt Wirklichkeit werden zu lassen. Keine europäische Integration ohne gemeinsames Zahlungsmittel, lautete ihre Parole. Der Euro, das war Europa.
    Die Verbindung von Euro und Europa war einerseits geschickt und andererseits ruchlos. Geschickt, weil sich mit der Idee Europa zumindest in den Neunzigerjahren noch Rückhalt mobilisieren ließ. Ruchlos, weil ein simpler rhetorischer Trick die Wahrheit verschleierte: Natürlich konnte man ein guter Europäer sein und trotzdem die Kunstwährung Euro ablehnen. Deutsche Politiker reizten diese Argumentation besonders stark aus und suggerierten, dass der Euro ein erster unabdingbarer Schritt zu einer politischen Union sei. Helmut Kohl stilisierte den Euro gar zu einer Frage von Krieg und Frieden hoch. 56 Als Historiker wusste der Kanzler freilich, dass weder ein einheitliches Geld einen Bürgerkrieg ausschloss noch dass eine politische Union eine Währungsunion voraussetze. In den USA hatten sich Nord- und Südstaaten 1861 trotz des gemeinsamen Dollar aufeinander gestürzt – die Spaltung in eine Greenback- und Greyback-Zone folgte erst auf den Ausbruch des Sezessionskriegs. Und im von Bismarck 1871 geeinten Deutschen Reich zirkulierten noch Jahre nach der Staatsgründung verschiedene Währungen nebeneinander. 57
    Neben dem massiven Aufgebot an politischer

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