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Weltkrieg der Waehrungen

Weltkrieg der Waehrungen

Titel: Weltkrieg der Waehrungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel D. Eckert
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gegenüber. Die Bank of England pumpte Tag für Tag Devisen im Gegenwert von zig Millionen Pfund in den Markt, um den Sterling zu stützen. Sie schraubte den Leitzins auf zehn, dann auf zwölf Prozent nach oben, um ausländisches Kapital im Land zu halten. Die Wirkung verpuffte. Die Pfund-Pessimisten fühlten sich durch die schlechten Konjunkturdaten bestärkt. Zunehmend sah sich die Bank of England öffentlicher Kritik ausgesetzt, da ihre Stützungskäufe die Fremdwährungsreserven und damit britisches Volksvermögen dahinschmelzen ließen. Insgesamt rund 30 Milliarden Dollar wurden auf diese Weise verpulvert. 55 Die hohen Zinsen drohten die ohnehin angeschlagene Konjunktur vollends abzuwürgen. Am 16. September 1992, einem Mittwoch, unternahm London einen letzten verzweifelten Anlauf: Die Ankündigung einer brachialen Leitzinserhöhung auf 15 Prozent sollte die Märkte beruhigen – und die Spekulanten einschüchtern. Doch es war zu spät. Die letzten Verteidigungslinien waren längst durchbrochen. Das lag ironischerweise auch an der Liberalisierung der Finanzmärkte, auf die die Thatcher-Regierung so sehr gedrungen hatte. Im Zuge des einheitlichen Binnenmarkts waren Devisenkontrollen endgültig abgeschafft worden, so konnten die Spekulanten beliebig viel Geld mobilisieren und gegen das Pfund in die Schlacht werfen. Der Bank of England blieb nur noch eins – die Kapitulation: Die britische Währung wurde aus dem EWS gelöst, der Kurs freigegeben. Der 16. September ging als »Schwarzer Mittwoch« in die Annalen des Pfunds ein. Während der Sterling in den folgenden Tagen und Wochen rund 15 Prozent zur Deutschen Mark abwertete, verdiente George Soros eine Milliarde Dollar und begründete damit seinen Ruf als »der Mann, der die Bank of England knackte«.
    Mit ihrer unverfrorenen Attacke auf das Pfund war es Spekulanten gelungen, eine Devise aus dem europäischen Wechselkursverbund zu bomben. Die direkten und indirekten Konsequenzen sind kaum zu überschätzen. Für die Briten war das Kapitel Wechselkursmechanismus damit beendet. Die Londoner City und britische Regierung identifizierten als Hauptschuldigen die Deutsche Bundesbank, die nicht genug getan habe, um die Sterling-Notierungen zu stabilisieren und das europäische Währungssystem insgesamt zusammenzuhalten. Zurück blieben Verstimmung und Misstrauen, was dazu beitrug, dass London dem Projekt Geldunion fortan äußerst kritisch gegenüberstehen sollte. Eine weitere Folge des Angriffs auf das Pfund mutet paradox an: Ungeachtet des Prestigeverlusts konnte die Inselökonomie in den Jahren nach 1992 von der Abwertung profitieren. Der billigere Sterling machte die britische Wirtschaft wettbewerbsfähiger und ermöglichte kräftigeres Wachstum, als es zum Beispiel die deutsche Ökonomie vorzuweisen hatte, wenngleich dieses Wachstum mit höherer Inflation bezahlt wurde. Unabsichtlich hatte George Soros, der ungekrönte König der Wall Street, der insularen Monarchie vor Europas Nordwestküste einen Gefallen getan. Das Ausscheiden aus dem EWS beschleunigte einen Prozess, der sich bereits in den Achtzigerjahren unter Margaret Thatcher angedeutet hatte: Großbritannien orientierte sich wieder stärker transatlantisch. Wirtschaftlich und politisch driftete das Vereinigte Königreich nach dem Schwarzen Mittwoch von Europa weg. Die Zeit des Flirtens mit dem Kontinent war vorbei.
    Mit dem 16. September 1992 endete der Angriff auf das Britische Pfund, nicht jedoch der auf das europäische Währungsgefüge. Während die Briten tief durchatmen konnten, drohte anderen schwachen Währungen des EWS das gleiche Schicksal wie dem Sterling. Vor allem die Lira und der Franc blieben unter Beschuss. Nun, mit einiger Verzögerung, reagierten die Europäer: Um Italienern und Franzosen dieselbe Schmach zu ersparen wie den Briten, erweiterten sie die erlaubte Schwankungsbreite auf 15 Prozent nach oben und unten. Das kam einer De-facto-Freigabe der Wechselkurse gleich, Damit konnte zwar der Schein gewahrt werden, aber hinter den Kulissen standen die Finanzpolitiker einmal mehr vor einem Scherbenhaufen.
    Die Pfund-Krise war nicht das Ende des Projekts Gemeinschaftsgeld. Wie so oft erwies sich das Prinzip Europa als langlebiger als seine Begräbnisredner. Immerhin blieben das Europäische Währungssystem und seine Institutionen, so verdüstert sich die Zukunft

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