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Weltkrieg der Waehrungen

Weltkrieg der Waehrungen

Titel: Weltkrieg der Waehrungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel D. Eckert
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Rhetorik wirkte auch der Zeitgeist zugunsten der europäischen Währungsunion. Der Euro ist, das hebt sich im Nachhinein deutlicher ab als in jener Zeit der Entscheidung, ein Kind der Neunzigerjahre. Eine gewisse Parallele zum Börsenboom am Neuen Markt drängt sich auf. In keiner anderen Dekade des 20. Jahrhunderts hätte sich eine solch große Anzahl von Entscheidern in einer so großen Zahl von Ländern von einem Projekt wie der Europawährung überzeugen lassen. Nicht nur die deutsche Regierung ließ sich dazu hinreißen, auch in anderen Ländern der EU überwog die Hinnahme und teilweise sogar Hingabe an das Experiment die kritischen Stimmen. In gewisser Weise verschmolzen in den Neunzigern die Aufbruchsstimmung der Fünfziger, der Idealismus der Sechziger und die Experimentierfreude der Siebziger miteinander, nicht zu vergessen die Gier der Achtziger. Die Neunzigerjahre waren die Jahre des »Hype«, die Ära, in der sich Millionen Menschen vorgaukeln ließen, dass Internet-Unternehmen quasi endlos wachsen könnten und eben auch, dass sich so unterschiedliche Staaten wie Deutschland und Spanien (oder später Griechenland) in einer Währungsunion vereinigen ließen. Wenn die »New Economy« das Fetischwort der Anleger am Neuen Markt war, dann war es für die Euro-Anhänger der Begriff »Konvergenz«.
    Konvergenz war das Zauberwort, das am Ende auch viele Zweifler für die neue europäische Währung einnahm. Frankreich hatte in den Achtzigerjahren bewiesen, dass auch solche Länder zu einer soliden Finanzpolitik gelangen konnten, die vorher lange einen lockereren Umgang mit der Preisstabilität betrieben hatten. Warum also sollten mit ein wenig Ermunterung nicht auch Italien, Portugal oder Griechenland diesen Weg gehen? Spanien hatte seit den Achtzigerjahren einen atemberaubenden wirtschaftlichen Aufholprozess zu Mitteleuropa hingelegt. Warum sollten sich nicht alle weniger entwickelten EU-Staaten an der Peripherie den Wohlstandsniveaus des Zentrums annähern? Wenn diese Angleichung der Lebensverhältnisse mit ein wenig Finanzhilfe über Brüssel zu bewerkstelligen wäre, dann würde Europa eine viel einheitlichere Wirtschaftsregion abgeben: Wechselkursanpassungen, Transferzahlungen oder Wanderungsbewegungen von Arbeitnehmern wären dann nicht mehr nötig. Europa würde zum homogenen Währungsraum verschmelzen. Es wäre bereit für das gemeinsame Geld.
    Im Idealfall würde der Euro diesen Prozess sogar beschleunigen. Könnten sich die Euro-Randländer künftig zu niedrigeren Zinsen finanzieren, würde sich daraus für deren Bevölkerungen ein Wohlstandsgewinn ergeben. Die zusätzliche Nachfrage aus der Peripherie könnte dann auf den Kern zurückwirken und im Ergebnis allen mehr Prosperität bescheren: Griechen, Portugiesen, Deutschen, Iren. Dank des Euro würden die Europäer zu einer großen und noch größer werdenden Familie zusammenwachsen und bis ans Ende aller Tage glücklich miteinander leben. Die Konvergenz war die europäische Version von Francis Fukuyamas Ende der Geschichte, ein schönes Märchen, dem viele Menschen am Vorabend der Jahrtausendwende, zu Beginn des neuen Säkulums, nur allzu gern Glauben schenken wollten.
Kriterien und Kritik
    Garantiert und befördert werden sollte die Konvergenz durch die Kriterien, die im Maastricht-Vertrag festgeschrieben wurden. Um Mitglied im Klub der Euroländer werden zu dürfen, sollte jeder Staat erst seine fiskalische Tugendhaftigkeit nachweisen. Auf diese Weise würde nicht nur eine Annäherung der Volkswirtschaften gewährleistet, es würde auch von vornherein ausgeschlossen, dass die finanzielle Liederlichkeit eines Mitgliedslandes die übrigen Klubmitglieder kompromittiert. Im Einzelnen schrieben die Konvergenzkriterien vor, dass das Haushaltsdefizit drei Prozent und die Gesamtverschuldung 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten darf. Ergänzende Bedingungen für eine Aufnahme in die Währungsunion waren, dass die Inflation maximal 1,5 Prozentpunkte und der langfristige Zins maximal zwei Prozentpunkte über dem Wert der drei preisstabilsten EU-Länder lagen. Darüber hinaus musste sich der Wechselkurs im Europäischen Währungssystem in den zwei Jahren vor dem geplanten Beitritt stabil verhalten. Für strenge Kriterien hatte sich namentlich die deutsche Regierung mit

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