Weltkrieg der Waehrungen
ersten Mal existierte jetzt ein handfester und realistischer Zeitplan für die Einführung des kontinentalen Geldes. Und die Entwicklung der jüngsten Vergangenheit schien zu unterstreichen, dass Europa auf dem richtigen Weg war: In den vergangenen Jahren hatten sich immer mehr Länder dem Europäischen Währungssystem angeschlossen â Länder, die diese Festlegung zuvor stets vermieden hatten. Der wichtigste Beitritt zum Wechselkursmechanismus war der des störrischen Britischen Pfunds am 8. Oktober 1990, der als Meilenstein auf dem Weg zu einem integrierten Europa gefeiert wurde. Doch ausgerechnet dieser kapitale Zugewinn sollte das EWS nur wenige Monate nach der Unterzeichnung des Maastricht-Vertrags auf eine harte Probe stellen. Ereignisse im Herbst 1992 drohten alles in Jahren aufgebaute Vertrauen binnen weniger Wochen zunichte zu machen.
Während des Sommers hatte sich das Europäische Währungssystem zunehmenden Belastungen ausgesetzt gesehen. Im Kessel der festen Wechselkurse staute sich gewissermaÃen Druck an. Dafür gab es zwei Gründe: Zum einen hatte die deutsche Bundesbank, die wichtigste Zentralbank auf dem Kontinent, die Zinsen in ungeahnte Höhen geschraubt. Die Frankfurter Währungshüter setzten den Diskontsatz auf 8,75 Prozent herauf. Das war das höchste Niveau seit sechs Jahrzehnten. Aus Sicht der Bundesbank war diese Hochzinspolitik notwendig, um die inflationären Effekte der deutschen Wiedervereinigung zu dämpfen. Doch die hohen Zinsen zogen enorm viel Kapital nach Deutschland, was den Kurs der D-Mark an den Devisenmärkten einem Aufwertungsdruck, den der anderen EWS-Devisen einem Abwertungsdruck aussetzte. Die dem Währungssystem angeschlossenen Zentralbanken intervenierten, doch der Druck stieg stetig. Das hatte mit dem zweiten Faktor zu tun, der politischen Unsicherheit jener Tage. Für den 20. September war in Frankreich ein Referendum über den Maastricht-Vertrag angesetzt. In einer ähnlichen Volksabstimmung hatten die Dänen im Juni gegen die Einführung der Einheitswährung optiert. Das war bereits ein Rückschlag gewesen, doch würden die Franzosen den Vertrag von Maastricht ablehnen, wäre das Projekt Binnenmarkt und Europageld tot.
Spekulanten nutzten diese Stunde der Schwäche, um diejenigen Währungen ins Visier zu nehmen, die am anfälligsten waren. Das waren die Zahlungsmittel jener Nationen, deren Volkswirtschaften besonders schwach dastanden und folglich besondere Probleme hatten, mit dem hohen Zinsniveau der Deutschen mitzuhalten: allen voran die Italienische Lira, der Französische Franc und das Britische Pfund.
Zu einer regelrechten Devisenschlacht entwickelte sich der Kampf um den Sterling, den altehrwürdigen Stammvater der europäischen Hartwährungen. Mit einer Arbeitslosenquote von neun Prozent und einer kippenden Konjunktur befand sich die britische Wirtschaft zu diesem Zeitpunkt in einer kritischen Position. Gleichwohl gab die Regierung Ihrer Majestät die Parole aus, das Pfund um jeden Preis im EWS zu halten. Es ging ums Prestige, und es ging ums Prinzip. Eine Armee von Investoren hielt mit milliardenschweren Wetten an den Devisenmärkten dagegen. Die Spekulanten waren davon überzeugt, dass die Insel-Wirtschaft in einer viel zu schlechten Verfassung war, um die Hochzinspolitik durchzuhalten, und ohne hohe Zinsen, die die Währung stärken würden, konnte der Sterling unmöglich zum vereinbarten Kurs von 2,95 D-Mark im Wechselkursverbund gehalten werden.
Angeführt wurde die Investoren-Phalanx von dem GroÃspekulanten George Soros. Der Amerikaner ungarischer Abstammung war einer der Pioniere der Hedgefonds-Branche. Seit den Siebzigerjahren erzielte er mit seinem Quantum Fund traumhafte Renditen â für sich und einen erlauchten Kreis von Anlegern. Zu seiner Spezialität hatten sich groà angelegte Wetten gegen volkswirtschaftliche Ungleichgewichte entwickelt. Auch andere Akteure folgten einer solchen Makro-Strategie. Doch Soros, von dem der Ausspruch bekannt ist, »Wie, nur eine Milliarde? Das nennen Sie eine Position?« setzte mehr Geld ein als andere. AuÃerdem glaubte er die Ungleichgewichte dank seines etwas bombastisch Reflexivitätstheorie genannten Gedankengebäudes früher zu erkennen als andere. Diesmal also ging die Wette gegen das Vereinigte Königreich.
Im September 1992 standen sich die Kontrahenten gleichsam Auge in Auge
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