Weltkrieg der Waehrungen
urteilen sie mit einem Zucken ihres Zeigefingers, per Mausklick kaufen oder verkaufen sie Positionen in Millionenhöhe. Deckt sich die Einschätzung der Händler mit denen der Finanzminister und Notenbanker, werden sie »Investoren« genannt, halten die Händler hingegen die Aussichten für weniger günstig als die Politik, heiÃen sie »Spekulanten«. Das alles ändert nichts daran, dass es keine offene Weltwirtschaft ohne Devisenhandel gäbe. Nahezu jeder grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungstransaktion steht ein Währungsgeschäft gegenüber. Dazu kommen täglich Myriaden von Devisenkäufen und -verkäufen, denen kein Güteraustausch zugrunde liegt, die aber als Gradmesser für die Attraktivität einer Währung oder eines Währungsraums im Vergleich zu anderen fungieren. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich bezifferte das Devisenhandelsvolumen zuletzt auf vier Billionen Dollar am Tag. 58 Die Notierungen sind eine unschätzbare Informationsquelle über den Zustand der Volkswirtschaften auf dem Globus. Der Kurs einer Währung lässt sich lesen wie eine Fieberkurve.
Das lieà die Europäer kurz vor der Euro-Einführung den Atem anhalten. Mochten Politiker das Europageld noch so sehr schöngeredet haben, das Urteil der internationalen Devisenhändler würde einen deutlichen Hinweis darauf geben, ob die neue Währung angenommen wurde oder nicht.
Schön- und Schlechtwetterjahre
Holprige Anfänge
Die ersten Euros wurden nicht in Frankfurt, Paris oder der europäischen Finanzmetropole London gehandelt, sondern in Sydney. Die Australier waren die Ersten, die nach Silvester, Neujahr und dem direkt folgenden Wochenende an ihre Schreibtische zurückkehrten, ihre Computer wieder einschalteten und den feiertagsbedingt unterbrochenen Devisenhandel wieder aufnahmen. Es war der 4. Januar 1999, und die erste Zahl, die auf den Bildschirmen aufleuchtete, war 1,1747 Dollar. Das war die Erstnotiz der gemeinsamen Währung der Europäer. Zeitweise stieg der Wert des Neulings an jenem Tag sogar auf knapp 1,19 Dollar. Respektable Kurse für den Währungsnovizen, befand man allenthalben. Europas Hauptstädte waren in Feierlaune. Doch schon bald war es vorbei mit der schulterklopfenden Glückseligkeit der europäischen Geldpolitiker.
Während die Börsen in Frankfurt, Paris und Rom boomten und die Manie am Neuen Markt ihrer hybriden Klimax entgegenstrebte, hatte der Euro bereits alle Mühe, sich zu behaupten. Sicherlich war es nicht hilfreich, dass das Jahr 1999 einen sich zuspitzenden Konflikt um die frühere jugoslawische Provinz Kosovo sah. Alle Welt konnte gleichsam am Fernsehbildschirm miterleben, wie sich die Europäische Union zerstritt und erfolglos mühte, die militärische Konfrontation in ihrem geografischen Hinterhof abzuwenden. Schlimmer noch: Der Balkankonflikt lieà alte Gräben zwischen Paris, London und Berlin wieder aufbrechen. Um den Krieg im zerfallenden Exjugoslawien einzudämmen, mussten die Europäer schlieÃlich wie in einem schlechten Hollywoodfilm amerikanische Militärhilfe anfordern. Wirtschaftlich schien der Kontinent zu prosperieren, aber politisch machte er einen hilflosen Eindruck. Europa erinnerte an einen manisch-depressiven Elefanten.
Im Dezember 1999 fiel der Euro erstmals unter die Parität zum Dollar, die viel beachtete, wenngleich ökonomisch wenig bedeutsame Schwelle von eins zu eins. Wie so häufig an den Märkten löste das Unterschreiten dieser psychologisch wichtigen Marke weitere Verkäufe aus. Als der Euro auf 0,85 Dollar abgesackt war, griffen Befürchtungen um sich, die schwache Europawährung könne die Weltwirtschaft destabilisieren. In Wahrheit fürchteten wohl vor allem amerikanische Exporteure, durch die billiger produzierenden Europäer aus dem Geschäft gedrängt zu werden. Unterstützt durch die Notenbanken Japans und Amerikas intervenierte die Europäische Zentralbank zugunsten des europäischen Geldes. Sie kaufte Euro am Markt und stabilisierte damit den Kurs â allerdings nur vorübergehend. Die Währungshüter konnten nicht verhindern, dass die Notierungen weiter abrutschten und Ende des Jahres 2000 schlieÃlich bei 0,8225 Dollar ein historisches Tief markierten. Seit seiner Einführung hatte der Euro 30 Prozent an Wert verloren.
Doch dann wendete sich das Blatt. Es kam wie so oft an den
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