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Weltraumpartisanen 01: Bordbuch Delta VII

Titel: Weltraumpartisanen 01: Bordbuch Delta VII Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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Mittelfinger quoll ein dunkler Tropfen Blut. In dieser Sekunde begriff ich alles. Ich begriff den eisigen Fanatismus der Soldaten auf Asi-nara, der mir so unheimlich erschienen war; ich begriff die Bereitschaft Samuel Hirschmanns, des großen alten Mannes, sich in den Dienst des Generals zu stellen; und ich begriff auch, was Tom Collins dazu bewogen hatte, alle seine Überzeugungen preiszugeben und sich schließlich sogar mit der Waffe in der Hand gegen seinen teuersten Freund zu stellen. Keiner von ihnen war schuldig, keiner ein Verräter. Sie alle waren nur Opfer -bedauernswerte Marionetten einer gewissenlosen Wissenschaft, hilflos und willenlos ihren Peinigern ausgeliefert, die sie nach Belieben lenken konnten.
    Aus Tom Collins' Hinterkopf, vom Haar verdeckt und darum nicht zu sehen, von mir nur durch Zufall entdeckt, ragte eine winzige Anode.
    Wieder muß ich, um meinen Bericht zu vervollständigen, mein eigenes Erleben für eine Weile in den Hintergrund stellen und schildern, was sich andernorts zugetragen hat. Iwan Stroganow kniete vor dem Bett seines sechsjährigen Sohnes und sprach das Nachtgebet. Das tat er immer -an den wenigen Abenden, an denen er zu Hause war, und mehr noch als er selbst achtete Boris darauf, daß es von dieser Regel keine Abweichungen gab. Der Junge schlief ein, bevor noch das „Amen" gesprochen war. Stroganow stand auf und blickte auf seinen schlafenden Sohn herab - und wieder, wie so oft an diesem Tag schon - überfielen ihn Zweifel, Unruhe und Sorge, und er  fragte sich, ob die Entscheidung, die er getroffen hatte, auch die richtige war.
    Noch ahnte Boris nicht, daß er die letzte Nacht in seinem Bett verbrachte und daß er, sobald  er erwachte, alles, was er liebte, würde zurücklassen müssen - aus einem Grund, der ihm  lange unverständlich bleiben mußte. Stroganow atmete schwer.
    „Was ist?" fragte Mascha, seine Frau, besorgt. „Fehlt dir etwas?"
    Stroganow zwang sich zu einem Lächeln. Auch Mascha war ahnungslos. Nun, da er zu ihr zurückgekehrt war, war für sie die Welt wieder in Ordnung. Von dem, was außerhalb ihrer Wohnung geschah, wollte sie nichts sehen und nichts hören.
    „Mir fehlt nichts", sagte Stroganow, „überhaupt nichts." Auf Zehenspitzen ging er hinüber in das Wohnzimmer. Seine Frau folgte ihm. Behutsam schloß er die Tür. „Du bist so unruhig heute", sagte Mascha. „Und immer fängst du an, mir etwas zu sagen - und kommst dann doch nicht damit heraus. Warum sagst du nicht endlich, was los ist?"
    „Weil", antwortete Stroganow, während er an das Fenster trat, „es einfach nichts zu sagen gibt, Mascha, Täubchen."
    Draußen auf der Straße war die Situation unverändert. Stroganow hob ein wenig die Schultern. Mit dieser Schwierigkeit hatte er nicht gerechnet. Seit fünf Stunden versuchte er, seiner Frau verständlich zu machen, was an der Nordmole beschlossen worden war - aber alle seine Andeutungen und Umschreibungen wurden von ihr mißverstanden. Es war ihm nicht entgangen, daß ein Abhörwagen sich unweit des Hauses postiert hatte und keine Anstalten traf, weiterzufahren. Der Wagen selbst war zwar nicht zu
    sehen, aber seine Tentakel ragten hinter den Sträuchern hervor. Stroganow mußte auf seine Worte achten. Mascha schenkte den Tee ein.
    „Sei jetzt gemütlich, Wanja", sagte sie - mit einem leisen Vorwurf in der Stimme. „Wir haben uns doch vorgenommen, einen schönen Abend miteinander zu verbringen." Stroganow kehrte vom Fenster zurück. „Entschuldige", sagte er. „Ich bin zerstreut." Gehorsam nahm er Platz und trank einen Schluck Tee - und dabei fiel ihm die Lösung ein, die so einfach war, daß er sich wundern mußte, nicht schon früher darauf gekommen zu sein. Er stellte die Tasse hin, stand auf, und unter den vorwurfsvollen Blicken seiner Frau holte er Bleistift und Papier. „Kannst du deine Arbeiten nicht dann erledigen, wenn andere Menschen das auch tun?" fragte Mascha. „Du hast meinen Kuchen noch gar nicht probiert." Stroganow legte seine Hand auf die ihre. „Mascha, Täubchen", sagte er, „auf der Venus habe ich ein Kleid gesehen - wie für dich entworfen. Es sieht etwa so aus . . ."
    Und mit großen schweren Druckbuchstaben schrieb er auf, was er auf andere Weise nicht mitteilen konnte: KEIN WORT. WIR WERDEN ÜBERWACHT. MEINEN MORGIGEN ANRUF ABWARTEN. DANN MIT BORIS ZUM GOLFPLATZ NORD KOMMEN. KEIN GEPÄCK. NICHT DARÜBER SPRECHEN. Er löste den beschriebenen Zettel vom Block, gab ihn seiner Frau zu lesen und steckte ihn

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