Weltraumpartisanen 11: Operation Sonnenfracht
Ich zog das Cockpit wieder zu und ließ die Maschine anspringen.
Das dumpfe Donnern verlor sich in der Ferne. Drei, vier Sekunden lang herrschte Ruhe. Es war die Ruhe vor dem Sturm.
Als Sergeant Dahlsens Füße den Boden berührten, begann die Sirene zu heulen. Die Geigerzähler schlugen Alarm. Offenbar hatte der zweite Erdstoß die empfindliche Pipeline beschädigt. Aus einer undichten Stelle sickerte hochradioaktiver transuranischer Abfall. Der Helikopter hob ab.
Der Wind warf ihn aus dem Kurs. Eine Weile lang hatte ich keine Sicht auf die Vorgänge am Boden. Als ich dem Helikopter schließlich meinen Willen aufgezwungen hatte, hörte und sah ich:
- das Fauchen der Rotoren vermengte sich mit einem neuerlichen Donnergrollen;
- Staubwolken wallten auf; gewaltige Steinlawinen mußten sich in Bewegung gesetzt haben;
- die Pipeline bäumte sich auf und brach; eine Sekunde lang - länger als jede Ewigkeit - stand über dem Gelände eine schäumende Fontäne; dann erst
schlossen sich die für den Extremfall eingeplanten zusätzlichen Ventile;
- Sergeant Dahlsen beugte sich über den offenbar bewußtlosen - vielleicht auch toten - Lieutenant Xuma;
- die Geröllawine traf auf; die Verladerampe schien zu explodieren; Gesteinstrümmer wirbelten durch die Luft; der Helikopter schüttelte sich; ein Stein durchschlug die Verglasung des Cockpits;
- im Lautsprecher dröhnte Captain Romens Stimme: „Sir! Sir, wir registrieren hier heftige Erdstöße!"
Der Helikopter setzte auf. Ich löste die Verriegelung, stieß den Schlag auf und sprang hinaus.
Unter meinen Füßen tobte der vierte Erdstoß. Die Erde fühlte sich an wie das Deck eines heftig schlingernden Schiffes auf See. Das dumpfe Donnern übertönte alle anderen Geräusche.
Lieutenant Xuma lag mit dem Gesicht nach unten. Ich konnte nicht feststellen, ob er lebte. Ich bückte mich, faßte ihn bei den Armen und schrie: „Vorwärts, Sergeant ! ' rein mit ihm!"
Sergeant Dahlsen ergriff Lieutenant Xumas Beine. Um uns pfiffen die Steine und stäubte die Luft. Der Erste Ingenieur der Medusa war ein kräftig gebauter, schwerer Mann. Ihn in das Cockpit des Helikopters zu wuchten, wäre schon unter normalen Umständen ein hartes Stück Arbeit gewesen. Irgendwie schafften wir es. Ich stieß Sergeant Dahlsen an. „Jetzt Sie!"
Er setzte seinen Fuß auf den Tritt und schwang sich in das Cockpit - und bei dem Anblick, den er mir dabei bot, war mir zumute, als geränne mir das Blut: angefangen von Sergeant Dahlsens linker Schulter bis hinab zu seinem rechten Hüftknochen war der Schutzanzug aufgerissen.
Was geschehen war, war geschehen. Der Helikopter mußte vom Platz. Ich klemmte mich hinter das Steuer, zog den Schlag zu und hob ab.
Im Camp hatte das Erdbeben zum Glück keine nennenswerten Spuren hinterlassen. Die pneumatische Siedlung war lediglich kräftig durchgeschüttelt worden. Über dem Tower flatterte die gelbe Flagge und signalisierte weithin sichtbar den potentiellen Strahlenalarm. Spürtrupps mit Geigerzählern patrouillierten im benachbarten Gelände. Zu meiner Beruhigung fehlte die zusätzliche rote Flagge, die bedeutet hätte, daß der Alarm mittlerweile heiß geworden war. Der auf der Verladerampe entstandene Seuchenherd machte sich in der Talmulde vorerst nicht bemerkbar.
Unmittelbar nach der Landung begab ich mich in die Zentrale. In den Räumen brannte das elektrische Licht. Unter den herabgelassenen schweren Bleifolien staute sich die Hitze. Die Atmosphäre, die mich empfing, ließ mich unwillkürlich an eine belagerte, unterirdische Festung denken.
Die Verbindungen waren intakt geblieben. Zum erstenmal erlebte ich einen kleinlauten Colonel Chemnitzer. Sein Bild auf dem Monitor - ein schweißnasses Gesicht hinter der dicken Verglasung des Helmes -verstärkte noch die allenthalben nistende Beklemmung.
Er rechnete, daß die Reparatur der Pipeline drei Tage in Anspruch nehmen würde.
Das bedeutete, daß alle Flüge bis zum Heiligen Abend ruhen mußten.
Doktor Jugovitsch, der Leiter der Abteilung Unfallschutz, erschien zum Rapport, auch er im Schutzanzug, aber im Gegensatz zu mir mit bereits geöffnetem Helm. In der Hand hielt er die Tabelle mit den von den Spürtrupps ermittelten Werten.
„Vorerst, Sir", sagte er, „besteht kein Grund zur Panik. Die gemessenen Werte halten sich durchweg im Rahmen des Zumutbaren. Lediglich Ihr Helikopter, Sir, ist total verseucht. Ich würde vorschlagen, ihn zu vernichten."
Den Helikopter vernichten: das
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