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Weltraumpartisanen 14: Kurier zum Mars

Weltraumpartisanen 14: Kurier zum Mars

Titel: Weltraumpartisanen 14: Kurier zum Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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hatte ich die Medusa verlassen. Allein kehrte ich an Bord zurück. Ich betrat das Cockpit in dem Bewußtsein, daß der Verlust, den das Schiff soeben erlitten hatte, ein unersetzlicher war. Noch war es zu früh, ihn in seiner vollen Tragweite zu begreifen; noch fiel es einem leicht, sich vorzugaukeln, daß es nur des üblichen Drucks auf die Taste bedurfte, um aus dem FK heraus die vertraute Stimme mit dem gezähmten französischen Zungenschlag zu vernehmen. Aber die Hand, die nach eben dieser Taste griff, hatte bereits zu zögern begonnen. Der Tag freilich, an dem man, nach langem, ermüdendem Flug, in irgendeiner Oase unter den Sternen, auf einer verstaubten Raumstation, die zur Zwischenlandung einlud, oder in einer gemütlichen Bar auf dem Mutterplaneten Erde versucht sein würde, das Wort an den Kameraden so vieler Jahre und Reisen zu richten – Na denn, prost, altes Haus! Darauf, daß wir’s wieder mal geschafft haben! –, dieser Tag mußte kommen. Und mit dem zum Trinken erhobenen Glas in der Hand würde man vergeblich auf eine Antwort warten. Das war das Schlimmste: die letzte Gewißheit.
     
    An Bord der Medusa hatte man die Wartezeit benutzt, um so viele Reparaturen wie möglich vorzunehmen. Die Wunden in der Außenhaut waren geflickt, die Radarsysteme überholt, die unterbrochenen Stromzufuhren neu verlegt. Bis auf das nach wie vor hinkende Triebwerk, dem mit Bordmitteln nicht zu helfen war, hatte sich die Medusa in ein halbwegs reisetüchtiges Schiff zurückverwandelt.
    Das Versteck im Syrtis-Major-Distrikt hatte sich bewährt. Mehrmals war die Medusa von patrouillierenden FLOBs überflogen worden, ohne entdeckt zu werden.
     Die Erklärung, die ich, nachdem ich das Kommando wieder übernommen hatte, abgab, hörte sich so nüchtern an wie eine amtliche Verlautbarung. Ich verzichtete auf jedes schmückende Beiwort und schilderte lediglich den nackten Sachverhalt:
    - die vorgefundene Situation;
    - den bevorstehenden Endkampf der Garnison;
    - Lieutenant Merciers Tod. 
    Danach war es eine Weile lang still im Schiff. 
    Ich ging, wie so oft vor Antritt einer Reise, einen letzten Kontrollgang. Niemand sprach mich an. Der Schock lähmte die Zungen. Mir war das nur recht; ich war in einer miserablen Verfassung, niedergedrückt von meiner Verantwortung, die keiner mir abnehmen durfte. Ins Cockpit zurückgekehrt, erteilte ich den Befehl zum Start.
    Die Bilanz war bitter. Ich hatte alles gewagt und nichts erreicht. Eine ganze Nation hatte ihr Schicksal in meine Hände gelegt – und nun war ich dazu verdammt, ihr auszurichten, daß sie besser daran täte, alle Hoffnung fahrenzulassen. 
    Eine neue Ära brach an. Welchen Namen würde sie einmal tragen? Die Warrensche Epoche? Das Zeitalter der psychomechanischen Diktatur? Wahrscheinlicher noch war es, daß sie namenlos bleiben würde. An diesem Punkt endete alles, was uns Menschen bisher lieb und teuer gewesen war, sogar die Geschichtsschreibung.
    Tief unter dem Cockpit lag der Mars.
    Ich hatte mich von meinem Platz erhoben und war vor das Okular getreten, um den von Lieutenant Simopulos gemeldeten massierten Radarkontakt näher ins Auge zu fassen.
    Die neue Ära war nicht zu übersehen. Wie eine Bussardwolke, zum Zustoßen bereit, schwebte sie über der Garnison. Das FLOB-Geschwader war zurückgekehrt, um entweder die Kapitulation entgegenzunehmen oder zur Vernichtung der widerspenstigen Bastion menschlichen Geistes und Wagemutes zu schreiten.
    Major Bodley hatte nicht zuviel versprochen: dies war unsere Chance. Die FLOBs konzentrierten ihre Aufmerksamkeit auf die Garnison. Die Medusa war für sie zu einem Gegner von nur noch untergeordneter Bedeutung geworden. Später würden sie gewiß darüber herfallen, um ihren Triumph zu vervollständigen – und bis dahin galt es, die Galgenfrist, die uns die Garnison bescherte, zu nutzen und in der Leere des Raumes unterzutauchen.
    Das Schiff wartete auf meinen diesbezüglichen Befehl. Ich drückte die Taste. »Brücke … RC, ich möchte, daß Sie auf TV gehen und den Kontakt in alle Stationen überspielen.«
    Lieutenant Simopulos bestätigte knapp: »TV-Bild für alle Stationen. Aye, aye, Sir.«
    Was zu diesem Zeitpunkt auf dem Mars geschah, ging uns alle an, jeden einzelnen an Bord. Mochten hinterher die Kämpfe auf der Erde und auf der Venus auch noch eine Weile weitergehen, vielleicht sogar ein paar Wochen oder gar Monate lang: dies war die Schlacht, in der die Würfel fielen. Die FLOBs ergriffen Besitz vom Mars.

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