Weltraumpartisanen 23: Vargo-Faktor
Superkargo - das heißt, er schifft sich ein, um die Interessen der GF zu vertreten. Und diese sind in erster Linie: Herabsetzung des Risikos. Dr. Mildrich sorgt sich um das investierte Kapital."
„ Und in zweiter Linie?"
„Die Kommerzialisierung der Gesellschaft. Bei der GF steht man auf dem Standpunkt: Wer sich aus Raumnot retten läßt, soll dafür zahlen."
Das also war es. Die UGzRR stand knapp davor, mit Stumpf und Stiel von der GF übernommen und nach neuen Gesichtspunkten betrieben zu werden. Ich kam gerade zurecht, um den Schwanengesang zu hören - den Schwanengesang einer großartigen Idee. Die Story, die zu schreiben ich aufgebrochen war zu den Sternen, war von vornherein mit Bitterkeit gewürzt.
An diesem Tag bekam ich Busch nicht mehr zu Gesicht. Am Morgen des 8. Novembers jedoch stand ich auf der Veranda im Oberdeck neben ihm, als die brennende Plattform vor dem Hintergrund der sechs glimmenden Punkte, die das Sternbild des Schwans bilden, zum Vorschein kam.
Um seinem verehrten Publikum ein unvergeßliches Schauspiel zu bieten, hatte Captain Murdock noch ein paar Stunden Reisezeit draufgelegt: die Astoria machte langsame Fahrt.
Vor dem feierlichen schwarzen Samt eines unbetretenen, unerforschten, jungfräulichen Weltraumes prangte, zum Bersten reif, eine Orange.
Die Astoria manöverierte sich heran, und aus der reifen Orange wurde die Plattform Producer. Der metallene Ball umschloß eine lodernde Hölle: Er war rotglühend vor Hitze, ein Bild des Schreckens. Wer sich aus dem Inferno hatte retten können und im glücklichen Besitz eines Raumanzuges war, stand oben auf dem Landedeck und wartete darauf, abgeborgen zu werden. In ein paar Meilen Entfernung konnte man das Stand-by-Boot der Plattform erkennen. Es quoll über und konnte niemanden mehr aufnehmen. Dies erfuhr man vom Ersten Offizier der Astoria, Flight-Lieutenant Dieter Krafft, der das Spektakel kommentierte.
„Im übrigen", fuhr er fort, „bekommen wir gleich auch den Rettungskreuzer Henri Dunant zu sehen. Er muß jeden Augenblick zur Stelle sein."
Die Höllenglut fraß sich mehr und mehr an das Landedeck heran und verwandelte es in einen riesigen Grill. Hier und da begannen die Menschen zu springen.
Mich schauderte.
Ein gedrungenes, plumpes Schiff schob sich mit pulsierenden Bremsdüsen ins Bild. Auf seiner uns zugekehrten Backbordflanke prangte weithin sichtbar das legendäre Embleme der UGzRR: ein gelber Sonnenball mit rotem Johanniterkreuz auf weißem Feld. Die
Henri Dunant kam zur Ruhe und setzte ihr Dingi aus. Das Dingi beschrieb einen Halbkreis und nahm dann rasch und zielstrebig Kurs auf das Landedeck. Commander Brandis hatte offenbar beschlossen, zunächst das Deck zu räumen. Wer bereits im freien Raum schwebte, mußte warten; er war fürs erste außer Gefahr.
Das verehrte Publikum applaudierte.
„Und wer", erkundigte sich an der Bar eine rothaarige Schönheit, die aussah wie ein Filmstar, „bezahlt diesen Rettungsflug?"
Der Erste Offizier stellte seiner Auskunft eine Verneigung vorweg.
„Alle Einsätze der UGzRR, gnädige Frau, werden grundsätzlich kostenlos geflogen."
Ich sah mich unauffällig um. Commander Busch, der neben mir stand, machte ein steinernes Gesicht.
Die Astoria nahm wieder Fahrt auf- in Form eines kultivierten, kaum spürbaren Beschleunigens -, und die Veranda begann sich zu leeren. Die reife Orange rückte ferner und ferner, bis ich sie vollends aus den Augen verlor.
In meiner Kabine studierte ich die Aufnahmen, die ich geschossen hatte. Sie waren gestochen scharf, ein einmaliges Dokument.
Ohne weitere Zwischenfälle, mit neunzehn Stunden Verspätung, trafen wir in der Frühe des 11. Novembers auf der Venus ein. Die Astoria flog eine gemächliche Schleife, und ich hatte einen guten Blick auf die bläuliche Bergkette der Sierra Alpina mit der an ihrer Südflanke verlaufenden silbrigen Perlenschnur der Towns, wie man vereinfachend die dreizehn Städte nannte.
Als die Astoria ihren Leitstrahl erhielt und sich daran vollautomatisch hinunterhangelte zur Prominentenrampe - der Nummer 1 -, war die Henri Dunant von ihrem Einsatz noch nicht zurückgekehrt.
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2.
11.11.2084
Als der Stationsmeister des Flughafens mir zurief, daß die Henri Dunant im Anflug war, ging ich auf das Gelände und setzte mich auf einen abgestellten offenen unbemannten Gepäcktransporter.
Die Rampe 23 war die letzte in der Reihe. Gleich dahinter begann das Werftgelände der VEGA mit seinen Schuppen und Kränen. Auch
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